Nullwachstum Wirtschaft: Warum NRW den Anschluss verliert

Die Wirtschaft an Rhein und Ruhr kann mit dem Tempo im Rest der Republik nicht mithalten.

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Düsseldorf. Für die Alarmglocken in der rot-grünen NRW-Staatskanzlei in Düsseldorf besteht reichlich Anlass, laut zu läuten. Denn die Wirtschaft an Rhein und Ruhr kann mit dem Tempo im Rest der Republik nicht mithalten. Während das Sozialprodukt in Deutschland 2015 um real 1,7 Prozent zulegen konnte, gab es in NRW Nullwachstum. Kein anderes Bundesland hat so schlecht abgeschnitten. An der Spitze rangiert Baden-Württemberg mit 3,1 Prozent Zuwachs.

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Laut Roland Döhrn (Bild 2), Konjunkturforscher beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI/Essen) hat dieses desolate Ergebnis „strukturelle Ursachen“. Mit anderen Worten: Die Probleme sind zu einem großen Teil hausgemacht. So hatte NRW 2012 (neuere Daten liegen nicht vor) mit 15,9 Prozent die geringste Investitionsquote unter den deutschen Ländern. Auch die Ausgaben für Forschung und Entwicklung machten in NRW nur gut ein Drittel der Ausgaben in Baden-Württemberg aus. Im Länder-Vergleich nimmt NRW Rang neun ein.

Der Blick auf weitere Zahlen zeigt, wie schlecht Nordrhein-Westfalen da steht: Die Arbeitslosenquote ist mit acht Prozent die höchste unter den westlichen Flächenländern. Bei den Langzeitarbeitslosen bleibt NRW neben Bremen das Land mit dem höchsten Anteil an allen Arbeitslosen (43,4 Prozent). In Sachen Kita-Betreuung für Unter-Dreijährige bildet NRW mit einer Versorgungsquote von 25,9 (Bundesschnitt: 32,9) Prozent das Schlusslicht.

Das gilt auch für die Bildungsausgaben: Mit 6000 Euro pro Schüler hat NRW die „rote Laterne“. Ganz schlecht sieht es auch bei den zum Teil hoch verschuldeten Kommunen aus. Um ihre Ausgaben stemmen zu können, haben viele Gemeinden die Hebesätze bei der Gewerbesteuer und der Grundsteuer B erhöht. In keinem anderen deutschen Flächenland werden die Realeinkommen durch diese Steuern so stark belastet wie an Rhein und Ruhr.

Mit Sorge blickt RWI-Forscher Döhrn zudem auf die Industrieproduktion. Dieser Sektor habe deutschlandweit fast wieder das Niveau wie vor der Rezession 2008/2009 erreicht, liege in NRW aber immer noch deutlich darunter. Döhrn spricht sogar von einer „De-Industrialisierung“ des Landes. Der Anteil des Verarbeitenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung in NRW lag demnach 2014 mit 19,5 Prozent um 2,7 Punkte unter dem Bundesdurchschnitt. Anders gesagt: NRW, einst das wirtschaftliche Herz der Republik, ist kein klassisches Industrieland mehr.

Laut Döhrns Analyse gehört NRW darüber hinaus zu den Verlierern der Energiewende. Grund: Unter Führung der Konzerne RWE und Eon wird der Strom an Rhein und Ruhr vorwiegend auf konventionellem Weg erzeugt, vor allem mit Hilfe von Kohle. Die Umlage aller Stromverbraucher auf Basis des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) fließt aber dorthin, wo der Öko-Strom erzeugt wird. Über die EEG-Umlage gingen nach Döhrns Schätzung 2014 netto 3,1 Milliarden Euro aus NRW an andere Bundesländer.

Der Konjunkturforscher sieht für NRW dann eine Chance, wieder Anschluss an die anderen Länder zu finden, wenn mehr investiert wird. Vor allem für Infrastruktur und Bildung müsse mehr ausgegeben werden. Weil NRW mit einem Schuldenberg von rund 140 Milliarden Euro Spitzenreiter unter den Ländern ist, bleiben Investitionen mit Blick auf die Schuldenbremse aber oft aus.