Interview Wirtschaftsexperte: „Betriebsrenten stärker entlasten“

Berlin. · Interview Der CDU-Wirtschaftsexperte Carsten Linnemann sieht noch Chancen für eine Lösung – auch wenn die Kanzlerin bremst.

Die betriebliche Rente hat derzeit keine guten Chancen auf Unterstützung.

Foto: dpa-tmn/Karolin Krämer

Die von Gesundheitsminister Jens Spahn vorgeschlagene Beitragsentlastung bei Betriebsrenten und anderen Formen der berufsbezogener Altersvorsorge scheint in weite Ferne gerückt zu sein, nachdem sich Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU) in dieser Woche vor der Unionsfraktion gegen das Vorhaben ausgesprochen hat. Wie geht es nun weiter? Darüber sprach unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter mit dem Chef der Mittelstandsvereinigung von CDU und CSU, Carsten Linnemann.

Herr Linnemann, beim letzten CDU-Parteitag im Dezember haben Sie einen Beschluss zur Abschaffung der sogenannten Doppelverbeitragung durchgesetzt. Irritiert Sie Merkels Verhalten?

Carsten Linnemann: Frau Merkel hat vor der Fraktion als Bundeskanzlerin gesprochen und ihre Ablehnung damit begründet, dass die Abschaffung nicht im Koalitionsvertrag steht und die Finanzierung noch zu klären ist. Das ist ihr gutes Recht als Regierungschefin. Für mich persönlich und auch für sehr viele meiner Fraktionskollegen ist das Thema deswegen aber keineswegs abgeschlossen.

Soll heißen?

Linnemann: Der Gesundheitsminister hat den Parteitagsbeschluss praktisch in einen Gesetzentwurf gegossen. Diese Mühe war nicht umsonst. Denn wir haben jetzt eine Vorlage, die dem Wunsch vieler Unionsmitglieder entspricht. Wir wollen eine Halbierung der Kassenbeiträge in der Auszahlungsphase. Dabei bleibt es.

Warum ist das Vorhaben eigentlich nicht in den Koalitionsvertrag gekommen. Hat die CDU da geschlafen?

Linnemann: Nein, hat sie nicht. Die Abschaffung der sognannten Doppelverbeitragung ist seit Jahren ein Thema und war es auch bei den Koalitionsvereinbarungen. Am Ende wurde keine Lösung gefunden. Nach meiner Beobachtung haben mittlerweile jedoch beide Koalitionspartner ein großes Interesse an der Beseitigung dieses Ärgernisses.

Eine Halbierung des Krankenkassenbeitrags auf Betriebsrenten kostet jährlich rund drei Milliarden Euro. Woher soll das Geld kommen?

Linnemann: Im Kern geht es um die Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Und deshalb sollte der Fehlbetrag den Kassen aus Steuermitteln ersetzt werden. Der Finanzierungsvorschlag von Jens Spahn sieht  dafür auch zu einem kleineren Teil Beitragsmittel vor. Das ist auch als Angebot an die SPD zu verstehen.

Die SPD setzt aber auf komplette Beitragsfinanzierung.

Linnemann: Genau deshalb müssen sich Jens Spahn und  Finanzminister Olaf Scholz von der SPD  jetzt an einen Tisch setzen, um einen Kompromiss zu finden.

Was, wenn die Pläne doch scheitern?

Linnemann: Ein Scheitern wäre ein herber Schlag für die Akzeptanz der betrieblichen Altersvorsorge. Wir haben bereits einen spürbaren Akzeptanzverlust bei der privaten Vorsorge. Die Riester-Rente ist beinah schon zum Schimpfwort geworden, um nur mal ein Beispiel zu nennen. Bei der betrieblichen Altersvorsorge droht das genauso. So lange wir  das Problem  der Doppelverbeitragung nicht gelöst haben und sich die Betroffenen ungerecht behandelt fühlen, brauchen wir über weitere Schritte zur Stärkung der betrieblichen Vorsorge gar nicht erst nachzudenken.

Was wollen Sie persönlich tun?

Linnemann: Ich will erreichen, dass die Unionsfraktion bei diesem Thema in den nächsten Wochen zu einer Entscheidung kommt. Sie soll darüber abstimmen.