Zinswetten: "Wie ein Auto ohne Bremsen"
BGH-Urteil über fehlerhafte Beratung der Deutschen Bank macht vielen Kommunen Hoffnung.
Düsseldorf. Juristen und Verbraucherschützer werten die gestrige Entscheidung des Bundesgerichtshofes gegen die Deutsche Bank als wichtigen „Meilenstein auf dem Weg zu einem Kulturwandel in der Bankberatung“. Das sagt unter anderem Rechtsanwalt Julius Reiter von der auf Bank- und Kapitalanlagerecht spezialisierten Kanzlei Baum, Reiter & Collegen in Düsseldorf.
Die Kanzlei vertritt eine Vielzahl betroffener Kommunen, Verbände, Unternehmen und Privatpersonen in den Swap-Verfahren gegen die beratenden Banken — darunter die Städte Neuss und Remscheid, der Bergisch-Rheinische Wasserverband sowie mehrere mittelständische Unternehmen insbesondere aus der Metallbranche.
Rechtsanwalt Reiter kritisiert — wie der BGH — die fehlerhafte und in Einzelfällen möglicherweise sogar bewusst irreführende Beratung der Banken bei den Zinsswaps: „Man hat den Kunden Autos ohne Bremsen verkauft und vorgegaukelt, dass man das Auto dennoch zum Halten bringen könne, ohne dass sich ein Unfall ereigne.“ Die Folgen waren für einige Stadtkassen mehr als verheerend. In Dortmund beispielsweise verursachte das als harmlos eingestufte Zins-swap-Geschäft über Nacht einen Verlust von 6,2 Millionen Euro. Die Stadt Hagen steckte 2005 sogar 170 Millionen Euro in zwei Swaps der Deutschen Bank und verlor dabei 51 Millionen Euro.
Auch in Neuss droht ein herber Verlust: Noch bis 2013 läuft das 2005 abgeschlossene Geschäft mit der Deutschen Bank. Derzeitiges Minus: rund 8 Millionen Euro. Nach einem Rechtsgutachten der Kanzlei Baum Reiter & Collegen, das der Deutschen Bank eine „schuldhaft falsche Beratung“ bescheinigt, setzte die Stadt auf eine Klage beim Landgericht Frankfurt. Das gestrige BGH-Urteil hat Hoffnungen geweckt: Das Frankfurter Gericht hat nämlich noch nicht entschieden, wollte die BGH-Entscheidung abwarten. Und die fiel ja eindeutig aus.
Auch in Remscheid (minus 17 Millionen Euro) gibt man sich verhalten optimistisch. „Das Karlsruher Urteil stärkt unsere Position“, sagt Stadtdirektor Burkhard Mast-Weisz. Am 28. April ist Verhandlungstermin beim Landgericht Düsseldorf gegen die WestLB, die der Stadt die hochriskanten Produkte verkauft hatte. Der Deutschen Bank und den anderen Geldinstituten drohen nach Einschätzung von Juristen noch zahlreiche weitere Schadensersatzklagen: Derzeit sind allein beim BGH noch acht Verfahren in der Sache anhängig, sowie 17 weitere in den Vorinstanzen bei Land- und Oberlandesgerichten.