Zulieferer müssen global denken
Wer den großen Herstellern nicht rund um die Welt folgen kann, hat Probleme. Tausende Jobs sind in Gefahr.
Frankfurt. Es müssen nicht immer die großen Krisen sein, die über das Schicksal kleiner Zulieferer entscheiden. Manchmal reicht schon ein unscheinbarer „Weiter“-Knopf auf der Internetseite eines Autobauers. Denn die Aufträge werden häufig nur noch online vergeben, und beim digitalen Wettbieten reicht es längst nicht mehr, Bauteile günstig nach Wolfsburg, Stuttgart oder München zu liefern.
Sie werden zeitgleich in Osteuropa, den USA und vor allem in Asien gebraucht. Aber wer bei der Ausschreibung etwa das Angebotsfeld für China leer lässt, weil er dort gar nicht produziert, bei dem wird der „Weiter“-Knopf häufig gar nicht erst angeklickt — und der Auftrag rückt in weite Ferne.
„Die Hersteller machen klar: Wenn man sie beliefern will, dann muss man sie weltweit beliefern“, sagt Bernd Welzel, Geschäftsführer beim mittelständischen Zulieferer Fehrer, einem Spezialisten für Sitzpolster aus der Nähe von Würzburg. „Wenn ich das nicht kann, dann bin ich schnell nur noch ein kleiner regionaler Zulieferer, der bald weg vom Fenster ist.“
Soweit ist es bei Fehrer zwar nicht. Vor gut sechs Jahren entschieden sich Eigentümer und Management für den riskanten Schritt in die weite Welt. In China, Indien, den USA und Südafrika ist das Unternehmen — teils über Partner — präsent. Aber in der Heimat sieht es düster aus: Erst vergangene Woche verkündete Fehrer das Aus für einen Standort bei Leipzig.
Mit dem Stellenabbau steht das Unternehmen nicht alleine da. Laut einer Studie dürften in den kommenden drei bis vier Jahren in Westeuropa rund 75 000 Jobs in der Branche verloren gehen. Davon „rund ein Drittel bis die Hälfte“ in Deutschland, sagt Studienautor Marcus Berret von der Unternehmensberatung Roland Berger. Der einfache Grund für den hohen Anteil: Hierzulande gibt es besonders viele Autozulieferer mit großen Belegschaften.
Die Schrumpfkur in Westeuropa ist aber kein Vorbote für den Niedergang der Branche — im Gegenteil. Die profitablen Unternehmen verdienen einen großen Teil ihres Geldes längst in den USA oder China. Dort sowie in Osteuropa bauen sie auch Personal und neue Kapazitäten auf. Nur wer sich diesen teuren Gang in die weite Welt nicht leisten kann, bekommt Probleme. „Die werden nicht von der Bildfläche verschwinden, sich aber zunehmend schwertun“, sagt Berret.
Zumal die großen Zulieferer immer mehr darauf achten, dass die eigenen Lieferanten finanziell solide dastehen. So schaut der Sitzehersteller Grammer seinen Lieferanten seit der letzten schweren Branchenkrise von vor vier Jahren sehr viel genauer in die Bücher — und guckt sich bei zu vielen Fragezeichen auch nach Alternativen um. Die große Sorge: Ein kleiner Lieferant könnte in einer Krise ausfallen.
Und das wäre fatal, weiß der Branchenkenner und Insolvenzexperte Detlef Specovius, Partner bei der Kanzlei Schultze & Braun. „Denn innerhalb eines laufenden Projekts den Zulieferer zu wechseln ist sehr problematisch.“ Schließlich können schon kleine Verzögerungen die Produktionskette lahmlegen.