Zweites Standbein Britische Firmen setzen auf NRW

Düsseldorf · Die Brexit-Debatte hat viele britische Firmen dazu bewegt, sich ein zweites Standbein in der EU aufzubauen. Davon profitiert NRW. Allerdings hat der Brexit auch im Außenhandel Spuren hinterlassen.

Zweites Standbein nach dem Brexit: Britische Firmen setzen auf NRW
Foto: dpa/Roland Weihrauch

Dutzende britische Firmen haben sich nach Einschätzung der IHK Düsseldorf während der Brexit-Debatte ein zweites Standbein in Nordrhein-Westfalen aufgebaut. Die Zahl der im Handelsregister eingetragenen Unternehmen mit Kapitalbeteiligung aus Großbritannien habe allein im Rheinland in den vergangenen drei Jahren um 21 Prozent auf 1116 zugenommen, erklärte die IHK Düsseldorf auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Besonders deutlich sei dabei der Zuwachs im Raum Düsseldorf mit einem Anstieg um 25 Prozent auf einen Bestand von 498 Firmen mit britischer Kapitalbeteiligung.

„Wir sehen nicht, dass Unternehmen mit wehenden Fahnen Großbritannien verlassen“, sagte Felix Neugart, Geschäftsführer International der IHK Düsseldorf. Es gehe neben der allgemeinen Geschäftsentwicklung in vielen Fällen darum, ein zweites Standbein im EU-Binnenmarkt aufzubauen, um für alle Herausforderungen des Brexits gerüstet zu sein. Zunächst gehe es britischen Firmen eher um Optionen für die weitere Entwicklung als gleich um hohe Investitionen in NRW oder viele neue Arbeitsplätze. „Ich sehe nicht, dass flächendeckend Anlagen in Großbritannien abgebaut werden und Unternehmen komplett weggehen“, sagte Neugart. Viele Firmen warteten weitere Schritte ab.

Die Brexit-Debatte hat allerdings auch im Außenhandel der NRW-Wirtschaft Spuren hinterlassen: In den ersten elf Monaten 2019 sank der Gesamtwert der Exporte ins Vereinigte Königreich um 12,1 Prozent auf gut 10 Milliarden Euro, wie aus Zahlen des Statistischen Landesamtes hervorgeht. Damit ist Großbritannien auf den sechsten Platz der wichtigsten Export-Partnerländer für Nordrhein-Westfalen abgerutscht. Den höchsten Stellenrang hatte Großbritannien bei den Exporten 2015 mit dem dritten Platz und fast 14 Milliarden Euro.

„Das hat etwas zu tun mit der Unsicherheit über die Rahmenbedingungen des Brexits. Es wird nicht wirklich investiert. Viele Unternehmen halten sich bei den Investitionen zurück“, sagte Neugart. Nach den Daten des Statistischen Landesamtes sind die wichtigsten Ausfuhrgüter der hiesigen Wirtschaft ins Vereinigte Königreich Kraftwagen und Kraftwagenteile, deren Wert um 13,2 Prozent schrumpfte. Gefolgt von chemischen Erzeugnissen mit einem Minus von 5,8 Prozent.

Dagegen stiegen die Importe aus dem Vereinigten Königreich 2019 bis Ende November kräftig an - um 18,2 Prozent auf gut 8,8 Milliarden Euro. Das ist Platz 8 im Ländervergleich und damit ein Platz besser als 2018. Auch hier stehen Kraftwagen und Kraftwagenteile an erster Stelle, deren Wert um 6,8 Prozent zunahm. Der Importwert bei Erdöl und Erdgas stieg sogar um mehr als 300 Prozent. Bei pharmazeutischen und ähnlichen Erzeugnissen beträgt der Zuwachs rund 109 Prozent.

„Das könnte schon mit einer gewissen Vorratshaltung zu tun haben“, sagte Neugart. Insbesondere in der Autobranche und bei pharmazeutischen Produkten gebe es eng getaktete Lieferketten. Hier könnten mögliche Verzögerungen bei den Grenzkontrollen Störungen verursachen. Bei Erdöl und Erdgas dürften auch Preissteigerungen eine Rolle spielen. Die Importe aus Großbritannien nach NRW seien allerdings in den drei Jahren vor 2019 insgesamt rückläufig gewesen, so dass es hier auch Nachholeffekte gegeben haben könnte.

Großbritannien war in der Nacht zum Samstag aus der EU ausgetreten. In der Übergangsfrist bis Jahresende ändert sich im Alltag praktisch nichts. Während dieser Zeit wollen sich beide Seiten über die Regelung ihrer Beziehungen einig werden. Brüssel pocht im Gegenzug für ein Freihandelsabkommen auf gleiche Wettbewerbsbedingungen (Level Playing Field). Die Formel lautet: „Keine Zölle, keine Kontingente, kein Dumping.“ Die Frist bis Jahresende gilt eigentlich als viel zu kurz, doch eine Verlängerungsoption um bis zu zwei Jahre, die bis Ende Juli offensteht, lehnt Regierungschef Boris Johnson vehement ab.

(dpa)