125 Jahre Auto: Eine Erfindung macht mobil

Berlin (dpa) - Das Auto hat die Welt verändert: Mit der Geburtsstunde des Automobils vor 125 Jahren begann ein damals unvorstellbarer Siegeszug. Das Auto revolutionierte die Mobilität, es ist ein Symbol für Freiheit und Wohlstand.

Doch es gibt auch Schattenseiten.

Kaum eine Erfindung hat den Alltag der Menschen derart verändert wie das Auto - was dessen Urväter nicht einmal zu träumen wagten. Denn am Anfang hatten die Zeitgenossen nur Hohn und Spott übrig für das erste moderne Automobil: ein Dreirad mit einem stinkenden und knatternden Einzylindermotor. Doch mit dem Motorwagen von Carl Benz mit der Reichspatentnummer 37 435, angemeldet am 29. Januar 1886, begann ein fast unaufhörlicher Siegeszug. Bis heute sind Schätzungen zufolge weltweit bis zu 2 Milliarden Autos gebaut worden.

Zu Beginn jedoch hatten es die Autopioniere Carl Benz und Gottlieb Daimler schwer. Der Motorwagen von Benz stand nutzlos herum. Erst als sich seine Frau Bertha Benz 1888 die Motorkutsche schnappte und von Mannheim nach Pforzheim fuhr, die erste automobile Langstreckenfahrt der Geschichte, begannen die Vorbehalte zu schwinden - ein erster Meilenstein in der Entwicklung des Automobils.

Die Erfolgsstory begann spätestens, als Henry Ford das Auto mit der Fließbandproduktion zur Massenware machte. Das hatte tiefgreifende Folgen: „Das Automobil war eine Epocheninnovation und hat die westliche Zivilisation über 100 Jahre wesentlich bestimmt“, meint Autoexperte Christoph Stürmer vom Beratungsunternehmen IHS Global Insight. Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland spricht von der „Wunschmaschine, die selbstgelenkt Zeit und Raum überwand“.

Denn das Auto macht die Menschen flexibel, es schafft Unabhängigkeit und gilt lange Zeit als Inbegriff persönlicher Freiheit und des Wohlstands - der VW Käfer als Symbol des Wirtschaftswunders, der Deutschen liebstes Kind. „Ohne Auto keine individuelle Mobilität. Ohne individuelle Mobilität kein Wirtschaftswachstum“, fasst Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer zusammen. Alle Länder mit hoch entwickelter Wirtschaft seien Länder mit hoher Fahrzeugdichte. Und es gebe Städte, darunter Los Angeles, die gleichsam mit dem und für das Automobil geplant worden seien, sagt Experte Stefan Bratzel.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Autoindustrie ist enorm: Nicht nur in Deutschland ist sie eine der Schlüsselbranchen. Mehr als 700 000 Menschen arbeiten hierzulande bei den großen Autobauern wie Volkswagen, Daimler, BMW und Co. sowie bei Zulieferern wie Bosch und Conti. Rechne man die indirekt Beschäftigten mit hinzu, hänge jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland am Automobil, wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) betont - eine der mächtigsten Lobbygruppen Deutschlands. „Für hoch entwickelte, arbeitsteilige moderne Gesellschaften und Volkswirtschaften ist das Automobil eine notwendige Voraussetzung für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung“, sagt VDA-Präsident Matthias Wissmann.

Doch es gibt Schattenseiten: Autos gelten trotz aller Verbesserungen wie Katalysator, Partikelfilter oder Schadstoffgrenzen als einer der Hauptverursacher beim Ausstoß des „Klima-Killers“ Kohlendioxid (CO2). Und was passiert, wenn boomende Schwellenländer wie China und Indien den gleichen Motorisierungsgrad erreichen wie die westlichen Industriestaaten? „Der Erfolg des Autos, seine massenhafte Verbreitung, ist gleichzeitig sein größter Feind“, sagt Lottsiepen. Nach Bratzels Einschätzung lähmt die massenhafte Verbreitung des Autos letztlich die eigene Mobilität - gerade in den Metropolen.

Und: Obwohl die Zahl der Verkehrstoten über die Jahre drastisch sank, sterben alleine in Deutschland jedes Jahr immer noch rund 4000 Menschen bei Verkehrsunfällen, dazu kommen Zehntausende Verletzte. Lottsiepen gibt zu bedenken: „Keine neue Technik ­ und wenn sie noch so revolutionär und hilfreich wäre - könnte heute bei einem solchen Blutzoll eingeführt werden.“

Die Autoindustrie wiederum steht zum 125. Geburtstag des modernen Automobils vor einem grundlegenden Umbruch. Das Zeitalter fossiler Brennstoffe neigt sich dem Ende zu, das Elektrozeitalter steht bevor. Umweltfreundliche Antriebstechnologien werden das Auto und die Industrie verändern - und damit möglicherweise auch die Beziehung des Kunden zum Auto. Und das neue Kraftzentrum des weltweiten Absatzes liegt längst nicht mehr in Westeuropa oder den USA, sondern in Asien.

Wird Deutschlands Autoindustrie diesem Wandel gewachsen sein? Die Branche besitze große Innovationskraft, urteilt Autoexperte Stefan Bratzel. Allerdings gebe es keine Garantien für ein langes Überleben. Lottsiepen warnt denn auch davor, zu sehr auf das Geschäft mit Premiumautos zu setzen: „Die Gefahr ist groß, dass die deutschen Hersteller sich auf diesem Erfolg ausruhen, zu tief auf ihren Geldsäcken schlafen und notwendige Entwicklungen verpassen.“