Bequeme Sitze für lange Touren - Motorradsattel nach Maß

Darmstadt (dpa/tmn) - Auf langen Motorradtouren können Rücken und Hinterteil schmerzen. Das liegt oft an der serienmäßig verbauten Sitzbank. Denn die Physiognomie der Biker ist so verschieden wie die Bandbreite an Motorrädern.

Sitzbänke nach Maß schaffen Abhilfe.

Viele Motorradfahrer können ein Lied davon singen: Irgendwann zwickt und zwackt es im Sattel am Allerwertesten. Abhängig vom Fahrzeug und der eignen Konstitution kann sich das bereits nach wenigen Kilometern einstellen oder erst nach langen Autobahnetappen. Dann wird das schöne Hobby zur schmerzhaften Angelegenheit. Das Problem kann laut Achim Kuschefski, Leiter des Instituts für Zweiradsicherheit (ifz), oftmals die Sitzbank sein: Sie ist zu weich, zu hart, zu schmal oder bietet zu wenig Stützkraft.

Das trifft meist nicht nur den Fahrer. Häufig klagt auch der Sozius über nachlassendes Sitzfleisch oder eine viel zu anstrengende Sitzposition. Zum Beispiel, wenn die Sitzfläche zu klein ist und sie darüber hinaus keine rutschhemmende Oberfläche hat. Dann nämlich rutscht der Beifahrer - wenn er sich nicht am Tank abstützt - seinem Vordermann bei jedem härteren Bremsmanöver in den Rücken. Das ist im besten Fall anstrengend für beide, im ungünstigsten Fall kann der Fahrer nicht die volle Bremskraft aufbringen, sagt Kuschefski.

Neue Motorräder werden mit einheitlichen Sitzbänken ausgeliefert, ganz gleich, ob der Biker nun 1,60 Meter groß und 50 Kilogramm schwer ist oder 2,10 Meter misst und 120 Kilogramm auf die Waage bringt. Mitunter kann der Kunde im Zubehörprogramm des Herstellers aus verschieden hohen Sitzbänken wählen, meist gegen Aufpreis. Doch auch dabei handelt es sich um Bänke von der Stange, die nicht auf die individuellen Bedürfnisse des Bikers abgestimmt sind.

Hier setzen Sitzbankspezialisten wie etwa Bagster oder Jungbluth an. Bei der Firma Bagster zum Beispiel kann der Kunde den Nachrüstsattel online konfigurieren: In einer Suchmaske wählt er sein Motorrad aus und stellt in sieben Schritten eine Sitzbank mit unterschiedlicher Polsterdicke für Fahrer und Beifahrer zusammen. Oder er konfiguriert eine Maßsitzbank, bei der er Parameter für Sitzflächenhöhen und -längen in einer Skala von minus zwei bis plus zwei vorgeben kann.

Zudem lassen sich ausgefallene Farbkombinationen und gestickte Schriftzüge realisieren. Für alle sieben Teile der Sitzfläche und die Randverstärkung stehen 28 Farben zur Wahl. Die Bestellung muss allerdings einer der kooperierenden Händler übernehmen.

Einen anderen Weg geht Marc Steinike, Chef der Sitzbank-Schmiede in Darmstadt. „Es gibt keinen Universalhintern, jeder Mensch ist anders gebaut“, sagt der frühere Orthopädie-Schuhmacher. Das Gewicht des Fahrers müsse auf das gesamte Gesäß gleichmäßig verteilt werden, damit sich Komfort einstellt. Er fertigt das Polster exakt nach den Wünschen und der Physiognomie des Kunden, und zwar auf der Basis der Originalsitzbank. Die neue Polsterung wird in mehreren Schichten aus verschieden festem Verbundschaum auf die Unterschale aufgebracht und in Form geschliffen.

Von Geleinlagen hält Steinike im Gegensatz zu Mitbewerbern nichts: „Die sind für inaktives Sitzen, etwa in einem Rollstuhl oder einem Krankenbett. Aber auf dem Motorrad ist man ständig aktiv, mit Gel verliert der Fahrer das "Popometer", also das Gefühl fürs Fahrzeug.“

Nach Fertigstellung der Sitzbank ist ein Test durch den Kunden vorgesehen. Der Biker fährt das neue Sitzmöbel zur Probe und füllt einen Fragebogen aus. Dann schickt er das Bauteil zur weiteren Bearbeitung zurück. Für Kunden, die die Route der Probefahrt nach Darmstadt legen, hält der Betrieb eine 3D-Messung mit einer Messmatte parat, die auf die Sitzbank gelegt wird. Anhand von 1024 Messpunkten lassen sich per Computer die Stellen ermitteln, an denen der Druck auf das Gesäß am größten ist - die Abbildung ähnelt dem Bild einer Wärmekamera. So wissen die Sitzbankbauer, wo die Druckspitzen liegen und legen dort noch einmal Hand an.

Eine solche Sitzbank kostet für ein Mittelklasse-Motorrad bei Bearbeitung von Fahrerplatz und Soziusplatz 350 bis 400 Euro. Für Bandscheibengeplagte und Prostata-Patienten bietet Steinike Speziallösungen. Um die Sitzhöhe einer Maschine zu verringern, sind ab etwa 160 Euro auch Abpolsterungen machbar.

Gerade dafür ist Expertise gefragt, betont Werner Koch, Redakteur der Zeitschrift „Motorrad“: „Wer sich vom freundlichen, aber in Sachen Motorradsitz unerfahrenen Polsterbetrieb ums Eck einfach eine möglichst tiefe Kuhle in den Schaumstoff schnitzen lässt, sitzt zwar maximal tief, aber mindestens genauso unbeweglich im Sattel. Das wird auf langen Strecken zur Qual.“ Diese Sparmaßnahme zahlt sich also definitiv nicht aus.