Der Golf für Caddies: 40 Jahre VW Polo
Wolfsburg (dpa/tmn) - Wolfsburg in den frühen 1970ern: Die Ölkrise steckt der PS-Branche noch in den Knochen, und bei Volkswagen neigt sich die Ära des Käfers dem Ende zu.
Zwar hat VW als Ersatz den Golf auf den Weg gebracht, doch mit einem Auto allein lässt sich der Dauerbrenner nicht ersetzen. Also bekommt der Golf einen kleinen Bruder: den Polo.
Premiere feiert der Kleinwagen allerdings als fast identischer Audi 50. Dass sich die Designer bei dem 3,50 Meter kurzen Zweitürer damals auf klare Linien und einfache Proportionen beschränkt haben, zahlt sich laut dem früheren VW-Designchef Hartmut Warkuß, der den Audi 50 entwarf, aus: „Das ist ein Design, das auch nach Jahren noch funktioniert. Für mich ist das vergleichbar mit einem Bild, das auch auf dem Kopf stehend noch verstanden wird.“
Im Mai 1975 folgte dann der Polo, und wer vom Käfer umstieg, erlebte einen gewaltigen Aufstieg. Mit seinem 29 kW/40 PS starken 0,9-Liter-Motor bei nicht einmal 700 Kilo Gewicht schnurrt er auf 135 Millimeter schmalen Reifchen deutlich flotter davon und laut VW in „nur“ 21,2 Sekunden auf Tempo 100 und weiter bis 132 km/h Spitze. Zudem bietet der Polo auch spürbar mehr Platz und schluckt hinter seiner riesigen Heckklappe bei umgeklappter Rückbank 900 Liter.
Dabei war der Polo aber so ziemlich das spartanischste Fahrzeug, das man damals bei einem deutschen Hersteller kaufen konnte. Man blickt im Innenraum auf blanke Bleche, fühlt in den Türverkleidungen nur Pappe, zahlt schon für die Kopfstützen oder die rechte Sonnenblende Aufpreis und anstelle des Gaspedals gibt es eine Drahtschlinge. Dafür kostet der Polo in der Basisversion aber nur 7500 Mark und damit in etwa so viel wie ein vergleichbarer Käfer.
Und so ganz ohne Glanz müssen die Polo-Kunden nicht vom Hof fahren. Schließlich gibt es laut VW-Classic-Sprecher Bernhard Kadow für 510 DM Aufpreis einen Polo L: „Das L stand damals unter anderem für Zierrahmen, verchromte Stoßfänger, Teppichboden im Fußraum und verstellbare Kopfstützen vorn“, zitiert er aus der Preisliste. Und wer sich den GLS leistet, bekommt gar ein zweistufiges Heizungsgebläse, edlere Sitzbezüge oder verchromte Radkappen dazu.
Zählt der erste Polo mit seinen 3,50 Metern noch heute zu den kleinsten VW-Modellen, das je vom Band gelaufen ist, geht der aktuelle Polo längst aus ausgewachsenes Auto durch. Mit 3,97 Metern länger als der erste Golf, gibt es ihn heute mit Extras wie Abstandsradar oder LED-Scheinwerfern und mit bis zu 141 kW/192 PS.
Genau wie zum Golf hat fast jeder Autofahrer in Deutschland auch zum Polo eine Beziehung, glaubt Sebastian Winkler. „Denn auch wenn die meisten von uns ihren Führerschein auf dem Golf gemacht haben, hatten wir doch alle auch mal einen Polo in der Familie oder im Freundeskreis“, sagt der Sammler aus Dinslaken. Er erinnert sich gerne zurück an seine Studentenzeit in einem Polo 2.
Dass der Kleinwagen es nie so ganz aus dem Schatten des Golf geschafft hat, ist dabei verwunderlich. Schließlich hatte der Polo in seinem Segment über lange Jahre eine ähnliche dominante Stellung wie der Golf in der Klasse darüber. Und vom Ford Fiesta bis zum Mitsubishi Colt hat er viele Wettbewerber inspiriert. So sind in fünf Generationen mittlerweile rund 15 Millionen Fahrzeuge entstanden. „Er ist einfach ein wichtiges Stück Automobilgeschichte“, sagt Winkler.
Und ein bezahlbarer Oldtimer. „Man kann suchen so lange man will, einen Polo über 20 000 Euro wird man nicht finden“, freut sich der Experte. Selbst begehrte Modelle wie der GT oder später der G40 kommen in sehr, sehr gutem Zustand allenfalls an 15 000 Euro heran, so Winkler. Aber: „Die Autos, die man noch im Tausch gegen eine Kiste Bier bekommen konnte, die sind mittlerweile vom Markt verschwunden“, sagt Winkler und stimmt Neueinsteiger bei nur 1,1 Millionen gebauten Polo 1 auf eine schwierige Suche ein: „Was von den alten Polos überlebt hat, ist entweder total verrottet oder längst in Liebhaberhänden, ordentlich gepflegt, komplett restauriert und deshalb entsprechend teuer.“