Der Lambo für Rambo - 30 Jahre Lamborghini LM002
Sant'Agatha (dpa/tmn) - Wenn Lamborghini nach der in Peking gezeigten Studie Urus tatsächlich einen Geländewagen baut, dann betreten die Italiener damit keineswegs Neuland. Denn vor 30 Jahren wagte man sich schon einmal aus der Boxengasse auf die Buckelpiste.
Lamborghini und Geländewagen? Auf den ersten Blick war die Messepremiere der Designstudie Urus im April in Peking eine kleine Sensation. Schließlich ist die mittlerweile im VW-Konzern beheimatete Marke vorrangig für Sportwagen der extremen Art bekannt. Doch wer Lamborghini etwas besser kennt, der weiß, dass die Italiener immer auch für andere Konzepte offen waren - auch schon für einen Geländewagen: den LM002.
Vor 30 Jahren gab es den LM002 erstmals auf dem Genfer Salon zu sehen. Begonnen hat die Geschichte des Lambo für Rambo schon früher: 1977 beteiligt sich Lamborghini mit dem Prototyp Cheetah an einer Ausschreibung des US-Militärs für den Bau eines Geländewagens. Das Projekt Lamborghini Military (LM) hat keinen Erfolg, die Amerikaner bestellen den AM General HMMWV, aus dem später der Hummer wird.
Ein paar Jahre und einen neuen Eigentümer später gräbt Lamborghini die Idee wieder aus. Aus dem Cheetah wird der LM002 und feiert im Frühjahr 1982 seine Premiere auf dem Genfer Salon. Statt mit einem V8-Motor fährt er mit dem Zwölfzylinder aus dem Countach. Das erste Auto wird 1984 an König Hassan von Marokko ausgeliefert. Weitere prominente Kunden sind der Sultan von Brunei, Rennfahrer Keke Rosberg und Schauspieler Silvester Stallone.
Was den Wagen ausmacht, ist vor allem seine Extravaganz. Denn von Eleganz kann bei dem kantigen Koloss, den der heutige Sportwagenbauer Horacio Pagani designt hat, keine Rede sein. Auch nicht im engen Innenraum des Viersitzers: Fahrer und Beifahrer trennt eine Mittelkonsole vom Format zweier Getränkekisten, auf der ein winziger Gangknüppel im Ledersäckchen montiert ist. Ringsherum gruppiert in einer massiven Holzplatte sind zwei Dutzend Schalter von der Schlichtheit früher Telefontasten. Aus dem Wagenboden ragen zwei weitere Hebel für den Allradantrieb und die Geländeuntersetzung. Und bunte Plättchen wie aus dem Lego-Baukasten zeigen, wie das aus einem Traktor übernommene Allradgetriebe gerade die Kraft verteilt.
Was dem LM002 an Grazie fehlt, macht er mit Antriebskraft wett: Der Lamborghini ist der erste und bislang einzige Geländewagen mit einem V12-Benziner. Das Aggregat schöpft aus 5,2 Litern Hubraum 326 kW/444 PS, die mit dem 2,7 Tonnen schweren Autokoloss leichtes Spiel haben. Während der Zwölfzylinder wütend faucht und man den Sprit förmlich durch den Motor rauschen hört, beschleunigt der LM002 in gut acht Sekunden auf Tempo 100 und weiter auf mehr als 200 km/h.
Für dieses Tempo braucht der Fahrer allerdings eine feste Hand am Lenkrad, ein scharfes Auge und viel Mut. Denn auf Asphalt gibt man dem Wagen mit seinen riesigen Rädern eher eine grobe Richtung vor als dass man ihn tatsächlich lenken könnte.
Anfangs ist der LM002 heiß begehrt, doch nach kurzer Zeit erlahmt das Interesse. Das mag unter anderem an seinem gewaltigen Durst gelegen haben: Im Datenblatt stand schon ein Verbrauch von mehr als 30 Litern, in zeitgenössischen Tests liest man sogar von Werten zwischen 40 und 50 Litern. Kein Wunder, dass die Italiener Tanks mit bis zu 400 Litern Fassungsvermögen eingebaut haben.
Weil die Zeit in den 1980er Jahren für sportliche Geländewagen einfach noch nicht reif ist und noch niemand an Automodelle wie den BMW X6, Porsche Cayenne oder Mercedes ML 63 AMG denkt, erlischt die Begeisterung für den Gelände-Lambo so schnell wie sie aufgeflammt ist. Heute ist der Extremist ein gesuchter Exot, für den im Internet Preise von 80 000 Euro aufwärts aufgerufen werden.
In sechs Jahren hat Lamborghini nur 301 Exemplare des LM002 gebaut. Das sind Zahlen, über die der amtierende Marken-Chef Stephan Winkelmann heute nur lachen kann. Wenn der in Peking gezeigte Urus tatsächlich in Serie geht, dann rechnet er mit der zehnfachen Stückzahl - und zwar pro Jahr.