Die Nervensäge nebenan - Gute Beifahrer brauchen Vertrauen
Düsseldorf (dpa) - Ob man mit dem eigenen Wagen in den Urlaub fährt oder am Ziel ein Auto mietet - der falsche Beifahrer kann jede Fahrt zum Horrortrip machen. Oder zum Genuss - wenn er rechtzeitig einschläft.
Eine Typologie.
Autofahren im Urlaub kann stressig sein - wenn der Verkehr stockt, die Sommersonne aufs Dach brennt und der Blick in den Rückspiegel am vollgestopften Kofferraum endet. Wenn dann auch noch auf dem Nebensitz eine Nervensäge mitfährt, ist die Erholung gefährdet. Der Verkehrspsychologe Professor Egon Stephan von der Universität Köln kennt die Grundvoraussetzung für ein funktionierendes Fahrer-Beifahrer-Team: „Es muss Vertrauen zur Person am Steuer da sein, da es sich um eine Belastungssituation handelt.“ Einige Beifahrertypen und Erklärungsversuche:
Der Angsthase:Er beobachtet den Fahrer bereits beim Einlegen des ersten Ganges skeptisch. Sein Blick durch die Windschutzscheibe ist so intensiv, als säße er selbst am Steuer, und beim kleinsten Anlass drückt er seinen rechten Fuß kräftig in den Boden. Professor Stephan kann die ängstlichen Beifahrer verstehen. „Menschen fällt es sehr schwer, die Kontrolle abzugeben. Zur Passivität verurteilt, befinden sie sich dann in einem permanenten Spannungszustand und fühlen sich dem Fahrer quasi ausgeliefert.“
Der Besserwisser:Hat Benzin im Blut und könnte die Lambda-Sonde im Motor auch eigenhändig austauschen. Seine Ratschläge kommen meist ungefragt, zum Beispiel „Schalten wäre jetzt eine gute Idee“, „Hier ist übrigens 70“, oder „Oh Tunnel! Licht einschalten!“. Der Verkehrspsychologe hält nicht viel von solchen nett gemeinten Ermahnungen: „Der Fahrer hat das meistens bereits selbst gesehen.“ Hilfreich seien allenfalls Hinweise auf Gefahren, die man auf dem Beifahrersitz tatsächlich besser im Blick hat, wie etwa rechts überholende Autos.
DerNavigator: Ihm reicht das Navi nicht, er hat Karten studiert und lässt sein Smartphone mitlaufen. „Also mein Google Maps sagt, wir müssen hier...“ - so beginnen viele seiner Sätze. Und er stellt damit die Grundsatzfrage: Wo sitzt der Kapitän im Auto? Ist der Fahrer nur der Steuermann?
Der Entertainer: Dieser Beifahrer sieht es als seine Aufgabe, den Fahrer vor Müdigkeit zu beschützen. Dazu hat er extra eine CD mit Partyhits gebrannt oder eine Playlist erstellt und schaltet zwischen Radio und eigener Musik hin und her oder verändert die Lautstärke. Im Prinzip sei das nicht schlecht, meint Professor Stephan, weil sich der Fahrer auf Lenker, Gas und Bremse konzentrieren kann. Aber zu viel Entertainment ist auch nicht gut: „Inhaltliche Ablenkungen sind für den Fahrer problematisch.“
Die Quasselstrippe: Will die neuesten politischen Entwicklungen debattieren oder - schlimmer - Beziehungsprobleme ausdiskutieren. „Grundsätzlich sollten emotional aufwühlende Auseinandersetzungen nicht während der Fahrt geführt werden. Die lassen sich in einer solchen Lage meist sowieso nicht lösen, können aber zu einem Unfall durch Unachtsamkeit führen“, sagt Hans-Ulrich Sander vom TÜV Rheinland.
Der Schläfer: Er schließt nach nur drei Minuten auf der Autobahn die Augen und lässt sich vom monotonen Motorengeräusch ins Land der Träume hieven. Und wacht erst kurz vor der Ankunft wieder auf. Das beschert dem Fahrer nicht nur Ruhe, sondern ist zugleich auch das größte Kompliment, meint Stephan: „Der ideale Beifahrer hat Vertrauen in die Kompetenz des Fahrers und kommt damit zurecht, keine aktive Kontrolle ausüben zu können.“ Und wie könnte man das dem Fahrer besser zeigen als mit einem entspannten Nickerchen?