Die Sauger sterben aus - Turbo-Technik erobert Sportwagen
Aachen (dpa/tmn) - Was fürchten Sportwagenfahrer noch mehr als Radarfallen und nasses Laub in engen Kurven? Das Turbo-Loch. Nichts stört, so glauben es zumindest PS-Puristen, eine flüssige Fahrweise so sehr wie die Gedenksekunde, die sich aufgeladene Motoren vor dem Beschleunigen erlauben.
Doch daran werden sich auch die Schnellfahrer so langsam gewöhnen müssen. Denn aktuelle Neuheiten wie der überarbeitete Porsche 911 oder der Ferrari 488 GTB zeigen: Das verbrauchssparende Downsizing, bei dem der Verzicht auf Hubraum durch den Einsatz von Ladern kompensiert wird, macht auch vor Sportwagen nicht mehr halt.
Dass der Turbo in der Theorie etwas zögerlicher anspricht als ein Saugmotor ohne Lader ist technisch begründet, erläutert Prof. Stefan Pischinger von der RWTH Aachen: Das Turbinenrad des Laders wird mit dem Abgasstrom angetrieben. Deshalb dauert es ein paar Sekundenbruchteile, bis der Turbo auf Touren kommt. Außerdem drehen Turbo-Triebwerke in der Regel nicht ganz so hoch wie konventionelle Motoren und haben einen anderen Klang, was Puristen für weniger emotional halten, fasst Pischinger die Vorbehalte zusammen. Doch die Vorteile überwiegen: Denn mit dem Turbo steigt die Leistung, während der Verbrauch zumindest auf dem Prüfstand sinkt.
Deshalb hat sich die Turbo-Technik von den Kleinwagen bis zu den Limousinen längst etabliert, erobert nun vollends die Überholspur und stürmt die letzte Bastion: Wenn Porsche im Dezember den überarbeiteten 911 an den Start bringt, dann bläst auch dort ein Turbo dem Sauger das Licht aus. „Das ist unsere Antwort auf weltweit verschärfte Gesetze bei Verbrauch und Emissionen“, sagt Jörg Kerner, der bei Porsche die Antriebsentwicklung leitet und einen Verbrauchsvorteil von bis zu einem Liter verspricht.
Aber Porsche geht es nicht nur um Gesetze, sondern auch im Genuss. „Für uns ist die Umstellung auch der Schlüssel zu mehr Fahrspaß“, sagt Kerner. Außerdem sei das mit dem Downsizing so eine Sache. Ja, der Carrera büßt 0,4 und der Carrera S 0,8 Liter ein. Zweiflern empfiehlt sich ein Blick ins Datenblatt: Immerhin legen die Motoren beide in der Leistung um 20 PS und im Drehmoment um 60 Nm zu. Schon der Basis-Elfer kommt damit auf 272 kW/370 PS und 450 Nm, fährt bis zu 295 km/h schnell.
Um den Turbo flott zu machen, haben die Entwickler in den vergangenen Jahren tief in die Trickkiste gegriffen: So haben sie zum Beispiel die Registeraufladung oder den Twinturbo eingeführt und dem eigentlichen Lader einen zweiten, kleineren Turbo vorgeschaltet. Weil der ein kleineres Turbinenrad hat, kommt er schneller auf Touren, erläutert ein BMW-Entwickler. Als nächster Schritt kommt jetzt der elektronische Verdichter, den Audi nach Angaben von Pressesprecher Josef Schlossmacher zuerst in einer Sportversion des Q7 einführt. Er kommt in nur 200 Millisekunden auf 72 000 Touren und macht dem Turbo-Motor so noch mehr Beine.
Auch wenn Audi und Lamborghini bei den jüngsten Generationswechseln noch einmal am Sauger für den R8 und seinen wilden Zwilling Huracan am V10-Motor ohne Aufladung festgehalten haben, ist das Sterben der Sauger nach Einschätzung vieler Experten nicht mehr aufzuhalten. Porsche ist mit dem Paradigmenwechsel aus diesem Grund auch nicht alleine. Schon vor einem Jahr hat Mercedes-Ableger AMG mit dem Abschied vom SLS auch den Saugmotor ad acta gelegt und für den GT einen neuen V8-Turbo entwickelt.
Zeitgleich mit dem 911 stellt zum Beispiel Ferrari um und montiert in seinen V8-Modellen einen neuen Turbo: 0,6 Liter kleiner als bisher, bietet der jetzt 3,9 Liter große V8-Motor aber ebenfalls deutlich mehr Leistung und springt von 419 kW/570 PS auf 493 kW/670 PS. Zwar geht der Verbrauch im 488 GTB im Gegenzug nur um 1,9 auf 11,4 Liter zurück. Mehr wollte Motorenchef Vittorio Dini seinen Kunden nicht zumuten. „Dann wäre es kein Ferrari mehr.“