Gefahr aus dem Nebel - Auf Wildwechsel richtig reagieren
Berlin (dpa/tmn) - Sie werden in Sekundenschnelle zur Gefahr: Wildtiere, die die Straße queren. Im Herbst müssen Autofahrer vor allem in der Dämmerung und bei Nebel mit ihnen rechnen. Sie können das Unfallrisiko aber selbst mindern - und sollten sich zu helfen wissen, wenn es kracht.
Die Bilanz des ADAC liest sich traurig: 220 000 Rehe, 12 000 Wildschweine und über 200 000 Hasen und Kaninchen kommen in Deutschland jährlich unter die Räder. Rund 2500 Verkehrsteilnehmer werden bei 230 000 Wildunfällen verletzt. In Herbst und Winter sind die Tiere auf Suche nach guter Deckung. Denn abgeerntete Felder bieten kein Versteck mehr. Auch auf der Suche nach Futter müssen Schwarz- und Rotwild, Füchse und Hasen Straßen überqueren. So werden sie zur Gefahr für sich selbst und die Kraftfahrer.
Schon seit der Fahrschule weiß man: Vorausschauendes Fahren senkt das Unfallrisiko. Diese Regel gilt auch beim Wildwechsel. „Verkehrsteilnehmer sollten mit angepasster Geschwindigkeit fahren und immer ausreichend Abstand zum Vordermann halten“, sagt Katharina Bauer vom ADAC. Wenn ein Tier am Straßenrand auftaucht, sei eine schnelle Reaktion gefragt: „Der Autofahrer muss sofort das Tempo reduzieren, denn einem Wildtier folgen meist weitere.“ Außerdem sollten Kraftfahrer die Scheinwerfer abblenden.
Wenn ein Zusammenprall unvermeidlich ist, dürfe man auf keinen Fall ausweichen, betont Bauer. Denn wer das Lenkrad herum reiße, riskiere, gegen einen Baum oder in den Gegenverkehr zu krachen - mit weitaus schwerwiegenderen Folgen. Als Mittel der Wahl bleibt nur noch die Vollbremsung.
Im Schnitt entstehen pro Wildunfall etwa 2000 Euro Schaden, weiß Anna Martinsohn vom Deutschen Jagdschutzverband (DJV). Versicherer und PKW-Besitzer kämen somit auf mehr als 400 Millionen Euro Schaden jährlich. Für die meisten Wildschäden am Kfz kommt nach Auskunft des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) die Teilkaskoversicherung auf - wenn Haarwild angefahren wurde.
Maßgeblich für diesen Versicherungsschutz ist die Definition von Haarwild nach dem Bundesjagdgesetz: Darunter fallen Wisent und Elch, Schwarz- und Damwild, Hasen sowie kurioserweise auch Murmeltiere, Fischotter und Seehunde. Schäden, die durch Federwild wie Fasane verursacht werden, sind durch die Teilkasko in der Regel nicht gedeckt. Auch Kühe, Hunde oder Katzen gehören als Haus- oder Nutztiere nicht zum Haarwild.
Allerdings ist Teilkasko nicht gleich Teilkasko. „Einige Kaskoversicherer bieten eine Ausdehnung des Versicherungsschutzes an, die auch Federwild, Haus- und Nutztiere umfasst“, sagt GDV-Sprecherin Katrin Rüter des Escobar. Ein alternativer Versicherungsschutz ist die Vollkasko. Sie kommt in jedem Fall für Schäden auf, die die Teilkasko nicht begleicht. Versicherungsnehmer sollten aber die Höhe der Selbstbeteiligung im Auge behalten und ohnehin kalkulieren. Denn wird die Vollkasko in Anspruch genommen, droht dem Versicherungsnehmer anders als bei der Teilkasko eine höhere Einstufung im Schadensfreiheitsrabatt.
Ist der Unfall passiert und das angefahrene Wild liegt auf der Straße, gelten übliche und spezielle Verhaltensregeln vor Ort. Zunächst muss die Unfallstelle mit einem Warndreieck gesichert und die Polizei gerufen werden. Diese verständigt den Revierinhaber - meist ein Jäger - der sich um das Tier kümmert.
Meistens fühlt sich der Revierinhaber für das angefahrene Tier verantwortlich. Er versorgt das verletzte Wild oder transportiert den Kadaver ab. „Normalerweise ist die Kommune zuständig, aber diese Arbeit wird meist unentgeltlich von den Jägern übernommen“, erläutert die DJV-Mitarbeiterin. Der Revierinhaber stellt auch eine Unfallbescheinigung für die Versicherung aus.
Damit diese den Schaden so gut wie möglich begutachten kann, sollten Beulen sowie etwaige Blut- und Haarspuren dokumentiert werden. Der Fahrzeughalter fotografiert sie am besten aus der Nähe und aus mehreren Perspektiven, rät Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten (BdV). Auch Bilder vom Tier können nützlich sein. Prinzipiell hat der Versicherte zwar eine Woche Zeit für die Schadensmeldung. Doch je frischer die Spuren sind, desto besser kann die betreffende Gesellschaft den Schaden einschätzen.
Unfallbeteiligte sollten beim Fotografieren zum Wild genügend Abstand halten: Verletzte wilde Tiere geraten in Panik, können aggressiv werden und den Menschen verletzen sowie Krankheiten übertragen. Ein totes Reh oder Wildschwein mitzunehmen, ist ebenfalls keine gute Idee: „Das ist strafbar und wird als Wilderei mit Geldstrafen oder in schweren Fällen sogar mit einer Haftstrafe geahndet“, sagt ADAC-Expertin Bauer. Auch Fahrzeuge dürften die Behörden bei Verdacht der Wilderei beschlagnahmen.
Wenn ein angefahrenes Tier wieder im Wald verschwindet, muss ebenfalls die Polizei informiert werden: „Aus Gründen des Tierschutzes wird der Jäger das verletzte Tier dann suchen und von seinen Schmerzen erlösen“, sagt Martinsohn.