Großprojekt E-Autos: Alternativen werden abgehängt

Stuttgart (dpa) - Seit die Bundesregierung das Ziel von 1 Million Elektrofahrzeugen für 2020 ausgegeben hat, dominiert das strombetriebene Auto die Diskussion um mögliche CO2-Reduzierung. Nicht unbedingt sinnvoll, meinen Experten.

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Denn es gibt andere Technologien.

Mit den strengen CO2-Zielen der EU-Kommission ist der politische Druck noch einmal gestiegen: Die Autohersteller entwickeln intensiv Elektroautos, die helfen sollen, den CO2-Ausstoß ihrer Flotten zu senken. „Die Hersteller haben ohne Elektroautos keine Chance, die EU-Vorgaben für CO2-Emissionen zu erreichen“, sagt Peter Fuß von der Wirtschaftsberatung Ernst & Young (EY) in Stuttgart.

Ob das sinnvoll ist, stellt Fuß infrage: „Die Batterietechnik entwickelt sich nicht so, wie man sich das erhofft hat“, sagt er. „Der Plug-In-Hybrid ist nur eine Brückentechnologie.“ Uwe Kunert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin sieht das ähnlich: „Eine derart enge Schwerpunktsetzung ist falsch, weil bislang nicht klar ist, wie sich Elektromobilität realisieren lässt.“

Die nach wie vor geringe Reichweite der Elektroautos ist nur ein Problem. Die Umgewöhnung an das lange Laden, die bisher unzureichende Ladeinfrastruktur und der hohe Preis für Elektroautos hemmen die Nachfrage. Nach Einschätzung von Kunert wären mit Erdgas betriebene Fahrzeuge zumindest für den Übergang eine gute Alternative.

„In der Verwendung von Erdgas liegt ein unmittelbares Potenzial zur CO2-Reduktion“, sagt Kunert. Die Förderung von Erdgas durch Steuerbegünstigungen sei erheblich. Das Problem sei die Infrastruktur. Das Netz von Erdgastankstellen umfasst bundesweit laut der Initiative Erdgas mobil 921 Tankstellen, im Gegensatz dazu stehen rund 4454 Ladepunkten für Elektroautos und gut 14 000 Tankstellen.

Tatsächlich aber fuhren nach Daten des Kraftfahrtbundesamtes Anfang 2014 knapp 100 000 Autos mit Elektro- oder Hybridantrieb auf deutschen Straßen. Bei bundesweit 43,9 Millionen zugelassenen Autos ein Anteil von 0,02 Prozent. Der Anteil von Erdgasautos war mit 79 000 Fahrzeugen fast genauso hoch.

Das Problem, so Autoexperte Peter Fuß: Die Verkäufe stagnieren. „Viele potenzielle Kunden haben Sicherheitsbedenken, wenn es um Gas geht“, sagt er. „Das ist ein psychologischer Effekt.“ Die Technologie ist dagegen ausgereift: Hersteller wie Audi, Fiat, Daimler aber auch Opel oder Volkswagen bieten Modelle als Erdgasvarianten an.

Die deutschen Autohersteller lassen sich dabei nicht in die Karten schauen, wie viel sie in alternative Antriebe investieren. Laut Verband der Automobilindustrie (VDA) sind es in den kommenden drei bis vier Jahren rund 12 Milliarden Euro. Unter Branchenexperten gilt BMW derzeit als Vorreiter der Elektromobilität, Daimler entwickelt seit Jahren an der Brennstoffzelle als Antriebstrang. Mehr als eine Milliarde Euro haben die Schwaben inzwischen in die Technologie gesteckt. Wie viel das im Vergleich zur E-Mobilität ist, lässt ein Sprecher offen: Gut die Hälfte der 2013 und 2014 in Forschung und Entwicklung investierten 10,8 Milliarden Euro gingen in grüne Technologien, sagt er lediglich.

Christian Kleinhans von der Strategieberatung Berylls schätzt, dass etwa 70 Prozent noch in herkömmliche Verbrennungsantriebe gehen, 25 Prozent in Hybridmotoren und der Rest in batterieelektrische Antriebe. Die Brennstoffzelle spiele nur eine ganz geringe Rolle. „Der öffentliche Hype rund um Elektrofahrzeuge führte dazu, dass viel Forschungs- und Entwicklungsgeld in diese Antriebe floss“, sagt Kleinhans. „Andere alternative Antriebe, wie Erdgasantrieb, aber insbesondere die Brennstoffzelle, wurden rechts überholt.“

Dabei ist die Brennstoffzelle seiner Einschätzung nach die Technologie, die langfristig am meisten Sinn macht. Auch Autoexperte Fuß meint: „Die endgültige Lösung kann nur die Brennstoffzelle sein.“

Doch obwohl Daimler lange als Vorreiter in der Brennstoffzellen-Entwicklung galt, sind es die Konkurrenten Toyota und Hyundai, die 2015 die ersten mit Brennstoffzelle betriebenen Fahrzeuge in Serie auf den Markt bringen. Honda will mit General Motors zusammen möglichst bald folgen. Daimler will im Forschungsverbund mit Ford und Renault-Nissan 2017 so weit sein. Bei BMW und Volkswagen schätzt man, dass man die Modelle 2020 serienreif hat. „Die deutsche Automobilindustrie muss aufpassen, dass sie jetzt nicht die führende Position bei der Brennstoffzelle verliert - und die Japaner und Koreaner vorbeiziehen lässt“, warnt Kleinhans.