Heldentod mit Ausnahmen - Wenn IAA-Stars in Vergessenheit geraten
Frankfurt/Main (dpa/tmn) - Gestern im Rampenlicht, heute vergessen - das ist das Schicksal zahlreicher Autodesignstudien. Viele der IAA-Stars von 2011 haben mittlerweile reichlich Staub angesetzt. Aber nicht alle sind vergessen.
Blitzlichtgewitter, Gedrängel, strahlende Manager: Mitten im Gewühl hatte Audi ein so kleines Auto enthüllt, dass es auf dem riesigen Messestand fast unterging. Und trotzdem: Der winzige Zweisitzer mit dem futuristischen Namen Urban Concept zählte zu den Stars der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt im Jahr 2011.
Die Idee von einem kleinen Fahrzeug mit Elektroantrieb für überfüllte Innenstädte von morgen passte offenbar so gut in die Zeit, dass der moderne Audi Kabinenroller, sein Konzernbruder VW Nils und der ähnlich gestrickte Opel Rak-e auf der Messe zu den Siegern der Herzen wurden. Wenn so die Zukunft aussieht, dann fahre ich auch gerne ein Elektroauto - so lautete der Tenor bei Besuchern und Berichterstattern. Und die Hersteller heizten die Stimmung mächtig an: Von „ernsthaften Absichten“ und „konkreten Überlegungen“ war damals die Rede und teils wurden sogar schon mögliche Preise kolportiert.
Das ist jetzt zwei Jahre her - und das Urban Concept wird man genau wie den Nils oder den Rak-e auf der IAA 2013 (Publikumstage: 14. bis 22. September) vergebens suchen. Denn alle drei Autos sind den Weg so vieler Designstudien gegangen: von der Bühne, aus dem Sinn. Was der damalige Audi-Entwicklungsvorstand Michael Dick noch großspurig als tragfähiges Konzept für die Zukunft angekündigte hatte, ist kein Thema mehr: Als der Ingolstädter Autobauer vor ein paar Wochen seine Strategie für die nächsten Jahre aufs Neue erläuterte, kam das Urban Concept nicht mehr vor. Und auch bei VW und Opel stehen die Studien nicht mehr auf der Agenda.
„So geht es leider mit vielen Showcars“, sagt der Pforzheimer Designprofessor Lutz Fügener: „Natürlich kann man von fast jedem der Messemodelle zumindest eine Designidee ableiten, die irgendwann ihren Weg in die Serie findet. Oder die Hersteller platzieren damit neue Technologien, probieren neue Materialien aus oder regen einfach nur zu Diskussionen an.“ Aber bei der engen Taktung der Messen und der Flut von Ausstellungsstücken dürfe niemand erwarten, dass tatsächlich alle gezeigten Fahrzeuge in Serie gehen. „Oft geht es einfach nur darum, einen etwas faden Messestand, auf dem sonst nur bekannte Modelle stehen, ein bisschen aufzupeppen.“
Dabei ist es kaum mehr als ein Zufall, dass die drei erwähnten gefallenen Stars der vergangenen IAA ausgerechnet Elektroautos waren. Denn es gab 2011 auch genügend Studien mit konventionellem Verbrennungsmotor oder Hybridantrieb, die in der Versenkung verschwunden sind: zum Beispiel das leidenschaftlich gezeichnete Oberklassemodell Kia GT, der Citroën Tubik als futuristischer Lieferwagen, das Luxuscabrio Cadillac Ciel, der Smart Forvision. Und die Liste der Eintagsfliegen, die in der weiteren Produktplanung bis dato keinen Niederschlag gefunden haben, ließe sich noch fortführen.
Dabei standen die Chancen zum Teil gar nicht so schlecht: Kia-Designer Peter Schreyer machte keinen Hehl daraus, dass er gerne einen sportlichen Imageträger als Blickfang für die Marke hätte. Und bei Cadillac galt der Ciel gemeinsam mit der einige Jahre zuvor enthüllten Studie Sixteen als Vorbote einer neuen Oberklassebaureihe, die mit einem sechsstelligen Preis gegen Mercedes S-Klasse oder BMW 7er hätte antreten sollen. Doch erst vor ein paar Wochen war in der amerikanischen Presse zu lesen, dass General Motors dieses Vorhaben aus Kostengründen auf Eis gelegt hat - und der Ciel so ein
Einzelstück bleibt.
Doch nicht alle Studien enden so. Der Land Rover DC 100 zum Beispiel, mit dem die Briten 2011 auf der IAA das Terrain für einen neuen Defender ausloten wollten, ist längst wieder zurück in der Entwicklungsabteilung. „Wir arbeiten mit und an der Studie, um daraus bis 2016 ein Serienmodell zu machen“, stellt Markenchef John Edwards in Aussicht.
So lange muss man im Falle zweier BMW-Modelle nicht mehr warten. Denn auf dem IAA-Stand der Bayern sieht man in diesem Jahr als Highlights ziemlich genau die gleichen Autos wie 2011. Nur dass die Elektrofahrzeuge i3 und i8 jetzt keine Vision mehr sind und sich in Frankfurt als Serienfahrzeuge im Rampenlicht drehen werden. Ihr Weg von der Bühne führt nicht mehr in irgendeine Sammlung, sondern schnurstracks auf die Straße. Ob sie ein Erfolg werden - darüber entscheiden jetzt die Kunden.