IAA macht Elektromobilität wieder spannend
Frankfurt (dpa/tmn) — Euphorie oder Ernüchterung? Die Stimmung für die Elektromobilität schwankt heftig. Einige Neuheiten und viele markige Sprüche beim großen PS-Gipfel in Frankfurt laden das Thema buchstäblich wieder mit Spannung auf.
Nicht einmal 2500 Neuzulassungen für Elektroautos in Deutschland im ersten Halbjahr 2013 — nach Euphorie sehen die Zahlen des Automobilwirtschaftlers Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen nicht gerade aus. Doch entmutigen lässt sich die PS-Branche davon nicht. Im Gegenteil: Mitten im Stimmungstief will sie die Elektromobilität mit einem kräftigen Stromschlag voranbringen und fährt zur Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt (Publikumstage: 14. bis 22. September) eine ganze Reihe neuer Elektromobile auf.
„Bei der Entwicklung von Technologien für die E-Mobilität haben Fahrzeughersteller weltweit gute Erfolge erzielt, die Fahrzeuge haben inzwischen Serienniveau erreicht“, so die Unternehmensberatung Roland Berger in München mit Blick auf die Messemobile und sieht Deutschland dabei wieder in der technologischen Spitzenposition.
Grund dafür sind Autos wie der BMW i3, der auf der IAA seine Weltpremiere feiert und zum Jahreswechsel für mindestens 34 950 Euro in den Handel kommt. Der Stadtwagen ist nach Angaben des Münchener Herstellers nicht nur der erste elektrische BMW für die Großserie. Sondern er ist auch das erste, weitgehend aus Carbon gefertigte Auto, das in großen Stückzahlen gebaut wird. Experten wie Dudenhöffer gilt es auch wegen seiner geschickten Vermarktung als Leuchtturm: „Die Bayern präsentieren das Fahrzeug weltweit, man geht aktiv voran und man hat eine echte Innovation zu einem sehr wettbewerbsfähigen Preis. Da kann man nur sagen: Chapeau“, lobt der Professor.
Aber BMW steht in Frankfurt nicht alleine unter Strom. Auch VW stöpselt zur Messe den Stecker ein: „Die Zeit ist reif, die Großserie zu elektrifizieren“, sagt Rudolf Krebs, der im Konzern die Elektromobilität verantwortet. Mit den auf der IAA gezeigten Akku-Varianten von Up und Golf beginnt bei den Niedersachsen gerade das neue Zeitalter. Während der E-Up zu Preisen ab 26 900 Euro schon diesen Herbst in den Handel kommt, wird der E-Golf Anfang 2014 starten - nach Branchenschätzungen für etwa 33 000 bis 35 000 Euro.
Und die Pläne von Volkswagen sehen noch mehr vor. Bis 2018 will Konzernchef Martin Winterkorn seine Firma nicht nur zum größten Automobilhersteller der Welt machen. Auch in Sachen Elektro wollen die Wolfsburger die Nummer eins werden. „Wir elektrifizieren alle Fahrzeugklassen und haben damit alle Voraussetzungen“, sagt Winterkorn. Allein bis Ende 2014 werde es 14 verschiedene Fahrzeuge mit Elektro- oder Hybridantrieb im Konzern geben. Bei entsprechender Nachfrage könnten weitere Modelle mit alternativen Antrieben ausgerüstet werden, so Winterkorn.
Als dritter deutscher Hersteller will auch Daimler die Spannung erhöhen. Mit dem Smart ed feiern sich die Schwaben als Marktführer bei den Elektroautos und machen jetzt auf der IAA noch einmal Lust auf die elektrische B-Klasse. Die war zwar schon auf ein paar anderen Messen zu sehen und kommt zunächst in Amerika in den Handel, räumt ein Sprecher ein. Doch wenn sie 2014 auch bei uns angeboten wird, erhalte sie einen Antrieb, der dem des BMW i3 mindestens ebenbürtig sei, wirbt Daimler-Chef Dieter Zetsche mit Blick auf die Konkurrenz. Bemerkenswert: Die elektrifizierte B-Klasse fährt mit Technik vom Kooperationspartner Tesla.
Während die deutschen Hersteller lautstark in den Markt starten, halten sich in Frankfurt ausgerechnet die bereits etablierten Anbieter von Batterieautos merklich zurück: Bei Renault dreht sich alles um den Nachfolger der Großraumlimousine Espace, der mit einem Diesel angetrieben wird. Bei Nissan glänzt im Rampenlicht ein weiterer Geländewagen, der bald den alten X-Trail beerben könnte.
Und Peugeot und Citroën setzen auf konventionell angetriebene Serienmodelle wie den 308 oder die relativ konkrete Studie Cactus. Einzig E-Mobil-Pionier Mitsubishi hat mit dem umgerüsteten Outlander eine elektrische Neuheit auf dem Stand. Und auch bei dem gibt es zum Elektromotor noch einen Verbrenner, weil der Geländewagen als Plug-in-Hybrid punkten soll.
Die bekannten Modelle bei den Importeuren und viele Neuheiten aus Deutschland: Noch auf keiner IAA waren so viele serienreife Elektroautos zu sehen wie in diesem Jahr. Trotzdem wettet kaum ein Autoboss auf eine sonderlich rasante Entwicklung: „Bei unserem Ölausstieg ist es wie beim Atomausstieg in der Politik: Es dauert etwas länger“, sagt Daimler-Chef Zetsche, lässt aber am Ergebnis keinen Zweifel: „Der Wandel kommt.“
Das sehen die Analysten wie Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach ganz ähnlich: „Durch die neuen Serienangebote von renommierten Herstellern wie BMW und VW bekommt das Thema sicher wieder mehr Dynamik.“ Doch für höhere Marktanteile müssten die Hindernisse bei Reichweite und Infrastruktur und vor allem beim Preis abgebaut werden, ist der Professor überzeugt. Für Bratzel wäre es sonst auch nach dieser IAA „verwunderlich, wenn Elektroautos schnell aus der Nische herauskommen würden.“