Sauber, schlicht, spektakulär — Die Neuheiten der IAA
Frankfurt (dpa/tmn) — Praktische Familienautos, millionenschwere Supersportler und saubere Neuheiten: Bei den vier Dutzend IAA-Premieren ist für jeden etwas dabei. Die deutschen Hersteller wollen dabei ihren Heimvorteil ausspielen - mit teils waghalsigen Studien.
Showtime in Frankfurt: Die Scheinwerfer brennen heller als die September-Sonne, die Manager strahlen übers ganze Gesicht, das Chrom funkelt, der Lack glänzt und auf den Bühnen drehen sich die spektakulärsten Autos der Saison: Es ist Internationale Automobil-Ausstellung, und die PS-Branche feiert eine rauschende Party. Das Heimspiel in Frankfurt nutzen die deutschen Hersteller für die große Show.
Mit ihren Neuheiten BMW i3, den Akku-Varianten von VW Up und Golf und der Mercedes B-Klasse mit Batterie starten sie ins Elektrozeitalter. Zwar fehlen auf den Ständen der deutschen Firmen in diesem Jahr die ganz großen Stückzahlbringer. Doch Audi, BMW & Co. besetzen dafür neue Nischen - oder sie bringen Varianten erfolgreicher Modelle auf den Weg.
So steht am VW-Stand der Bestseller Golf als R-Modell mit 221 kW/300 PS und als Sportsvan mit hohem Dach und langem Radstand als Nachfolger des Golf Plus. Bei Audi lässt der A3 die Hüllen fallen, im kommenden Frühjahr soll die Cabrioversion durchstarten. Mercedes stellt der S-Klasse ein elegantes Coupé zur Seite und bringt mit dem GLA einen neuen Geländewagen für die Kompaktklasse. Und BMW setzt nicht nur auf die neuen E-Mobile der i-Familie, sondern gewährt dem Messepublikum bis 22. September auch den ersten Blick auf die dritte Generation des Geländewagens X5.
Während die deutschen Hersteller vor allem Visionen vorstellen oder im Falle von Opel und Ford mit Studien wie dem S-Max oder Monza Concept einen vergleichsweise leisen Auftritt pflegen, sind für die großen Stückzahlen diesmal die Importeure zuständig: In der Kompaktklasse sind das vor allem Skoda mit dem Rapid Spaceback, Seat mit der neuen Kombivariante des Leon, Mazda mit dem 3er und Peugeot mit der nächsten Auflage des 308. Bei den Kleinwagen punkten Autos wie der Hyundai i10. Bei den Familienautos fahren Citroën C4 Grand Picasso und der Fiat 500L Living mit einer dritten Sitzreihe vor.
Neben den zahlreichen Serienneuheiten drehen sich in Frankfurt wie bei jeder Automesse zahlreiche Studien im Rampenlicht. Aber wie immer, wenn die Stimmung am Markt schwächelt und die Absatzzahlen besser sein könnten, haben selbst diese Visionen ziemlich viel Bodenhaftung. Ein Auto wie den 400 kW/544 PS starken Rallye-Renner Audi Nanuk wird es zwar wohl genauso wenig in Serie geben wie den Monza als Vorgeschmack einer neuen Design-Sprache bei Opel oder den Cadillac Elmiraj als luxuriöses Coupé im Geist der Heckflossen-Ära.
Doch Showcars wie der Smart Fourjoy, der Infiniti Q3 oder der Renault Initiale Paris sind Vorboten konkreter Serienmodelle und werden schon auf den Messen im nächsten Jahr als neuer Smart Fourfor, als japanischer Ableger der Mercedes A-Klasse oder als Nachfolger des Espace zu sehen sein. Und selbst das Audi Quattro Concept mit seinem 515 kW/700 PS starken Plug-in-Hybrid-Antrieb hat einen Realitätsbezug: „Mit diesem Auto loten wir aus, was mit unserem neuen Längsbaukasten alles möglich ist“, sagt Heinz Hollerweger, Leiter der Gesamtfahrzeug-Entwicklung bei Audi.
Das teilelektrische Konzept des Quattro Concept passt in die Zeit. Denn das alles bestimmende Thema dieser Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt (Publikumstage: 14. bis 22. September) ist — wieder einmal - die Elektrifizierung des Antriebs. Die gesamte Messe steht unter Strom, und es gibt kaum einen Aussteller, der nicht mit dem Stecker wedelt. „Die Zeit ist reif, um die Großserie zu elektrifizieren“, sagt VW-Chef Martin Winterkorn. Und Daimler-Boss Dieter Zetsche philosophiert vom „Ölausstieg“, während für Audi-Chef Rupert Stadler mit den ersten Batterieautos aus Bayern „Träume wahr“ werden.
Anders als in den Jahren zuvor belassen es die Bosse dabei nicht bei vollmundigen Ankündigungen: Auf vielen Ständen drehen sich elektrisch angetriebene Autos, die man in den nächsten Monaten auch kaufen kann — mal rein elektrisch wie der BMW i3 oder der VW E-Up, mal mit Plug-in-Antrieb wie der Audi A3 e-tron oder der Mercedes S 500 Plug-in, den die Schwaben als erste Luxuslimousine mit Drei-Liter-Verbrauch feiern. Die Vorreiter der Elektromobilität bringt das neue Engagement der deutschen Großserienhersteller in Zugzwang: Pünktlich zur Messe hat zum Beispiel Opel den Preis für den Ampera um 7500 Euro gesenkt.
Dutzende Neuheiten in allen Klassen und Segmenten, wegweisende Studien und hübsche Spinnereien in Blech und Carbon — auch wenn alle Welt von der Krise redet, hat die Automobilindustrie ihre Innovationskraft offenbar noch nicht verloren und umgarnt die Autofahrer mit vielen Premieren, die für Aufmerksamkeit sorgen.
Doch der Fahrer selbst wird zunehmend zur Nebensache — und in manchen IAA-Neuheiten gleich ganz überflüssig. Die Assistenzsysteme entwickeln sich so rasant, dass der Weg zum autonomen Fahren — so der Eindruck beim Messerundgang in Frankfurt - nicht mehr weit ist. Nicht umsonst ließ sich zum Beispiel Mercedes-Chef Dieter Zetsche von einer führerlosen S-Klasse auf die Bühne chauffieren. Er fahre im Auto zwar häufiger hinten rechts, sagte der Vorstandsvorsitzende. Doch dann sitze vorne links immer ein Fahrer. „An den leeren Platz hinter dem Lenkrad muss ich mich erst noch gewöhnen.“ Gut möglich, dass er damit in Zukunft nicht allein ist.