Kein Donwsizing: Große Geländewagen trotzen dem Trend
London/Stuttgart (dpa/tmn) - Kleiner ist feiner lautet das Motto auf dem Automarkt - doch bei SUVs gerät das Downsizing ins Stocken. Ein paar dicke Dinger mit vielen Zylindern und starken Motoren trotzen dem Trend - und finden ihren Weg auch auf den deutschen Markt.
Die Zeit der großen Geländewagen scheint vorbei: Der Hummer von General Motors ist Geschichte, der Nissan Patrol wird in Europa nicht mehr angeboten, und der BMW X7 wurde verworfen, noch bevor die ersten Prototypen unterwegs waren. Zudem bringen immer mehr Hersteller SUVs in der Kleinwagenklasse zu den Händlern. Doch der Eindruck täuscht.
Zwar führt das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Flensburg im ersten Halbjahr bei den Neuzulassungen durchweg kompakte Allradler wie den VW Tiguan, den Nissan Qashqai und den BMW X1 an der Spitze des Segments, doch arbeiten die Entwickler nach wie vor an dem ein oder anderen Trumm von Auto. Bestimmt sind die dicken Dinger zwar für Länder wie die USA oder China. „Doch wenn man sie schon mal entwickelt hat, kann man die paar Kunden in unseren Breiten auch mitnehmen“, sagt Nick Margetts vom Marktbeobachter Jato Dynamics. Auch in Deutschland werden also bald wieder eine ganze Reihe neuer Fullsize-Geländewagen auf die Bildfläche rollen.
Zum Beispiel der neue Mercedes GL. Im November kommt der mindestens 2,5 Tonnen schwere Gigant zu den Händlern. Mit 5,12 Meter ist er rund 30 Zentimeter länger als die technisch eng verwandte M-Klasse. Er kostet nach Werksangaben mindestens 72 471 Euro und startet mit drei Motoren: Einem drei Liter großen Diesel mit 190 kW/258 PS und zwei V8-Benzinern. Im GL 500 hat er 4,7 Liter Hubraum und erreicht 320 kW/435 PS, für den GL 63 AMG stehen 5,5 Liter und 410 kW/557 PS in der Liste.
Zwar verspricht Mercedes für den GL so viel Komfort und Ausstattung wie bei einer S-Klasse. Doch wissen die Schwaben selbst, dass sie damit in Deutschland nur wenige Kunden ködern können. „Die Hauptmärkte für dieses Modell sind Amerika, Russland und China“, räumt Projektleiter Andreas Zygan ein.
Kurz nach dem GL startet ein Dickschiff aus England durch: Ab Anfang Februar verkauft Land Rover auch bei uns den neuen Range Rover. Das Top-Modell der britischen Allradmarke wird ebenfalls größer und komfortabler als der Vorgänger. Immerhin: Trotz des stattlichen Formats geht das SUV mit der Zeit und speckt bis zu 430 Kilogramm ab. Möglich machen das der Wechsel auf eine Aluminiumkonstruktion und die Rückkehr zum Sechszylinder, erläutert Markenchef John Edwards. Er verspricht eine Verbrauchseinsparung von bis zu 23 Prozent.
In Deutschland gibt es den Wagen zu einem unveränderten Grundpreis von 89 100 Euro wahlweise mit einem drei Liter großen V6-Diesel von 190 kW/250 PS, einem Achtzylinder-TDI mit 4,4 Litern Hubraum und 250 kW/339 PS und einem V8-Benziner. Der fünf Liter große Kompressormotor hat 375 kW/510 PS und kommt auf 250 km/h. Wie der GL ist auch der Range Rover vornehmlich für andere Märkte gemacht. Händler Alexandr Korshelev in Moskau meldet zum Beispiel 60 bis 70 Verkäufe pro Monat - davon können deutsche Händler nur träumen.
Nach GL und Range Rover ist vermutlich Ende nächsten Jahres die Neuauflage des Audi Q7 an der Reihe. Zwar soll auch er abspecken. Der scheidende Technikvorstand Michael Dick geht davon aus, dass das neue SUV der Ingolstädter unter zwei Tonnen wiegen wird. Der aktuelle ist über fünf Meter lang und bringt bis zu 2,5 Tonnen auf die Waage. Aber aus demselben Baukasten wie der Q7 könnten noch ein paar deutlich größere, stärkere und teurere Geländewagen entstehen. So haben die VW-Töchter Bentley und Lamborghini eigene SUV-Entwürfe vorgestellt, mit denen sie ihre Modellpalette erweitern wollen.Range Rover
Und zumindest der im Sommer zu Audi gewechselte Bentley-Chef Wolfgang Dürheimer ließ kaum einen Zweifel daran, dass der mit einem Zwölfzylinder ausgestattete Wagen für geschätzte 200 000 Euro aufwärts grünes Licht bekommt. Auch Bentley denkt dabei erst ganz zuletzt an Deutschland. „Die Hauptmärkte für so ein Modell sind Amerika, China und Russland“, sagt Dürheimer.
Obwohl die Musik offenbar also woanders spielt, gibt es auch in Europa genügend Käufer für große Geländewagen. Nicht umsonst hat Ford vor wenigen Wochen angekündigt, dass sich die Marke mit dem neuen Kuga nicht begnügen will. „Danach holen wir aus Amerika den Edge über den Atlantik“, sagte Europachef Stephen Odell. Welche Motoren in dem rund 4,70 Meter langen Geländewagen dann angeboten werden sollen, ließ Ford noch offen.
Marktforscher Nick Margetts prognostiziert den großen Geländewagen eine stabile Konjunktur: „In Städten wie Moskau können sie gar nicht groß und teuer genug sein.“ In Dubai, Peking oder Los Angeles sei das kaum anders. Und sobald es die Autos irgendwo sonst auf der Welt gebe, könne man sie ohne großen Aufwand auch in Deutschland anbieten: „Die Hersteller wären schlecht beraten, wenn sie sich dieses Geschäft von den freien Importeuren abnehmen ließen.“