Kuriose Kopien auf der Auto Shanghai
Shanghai (dpa/tmn) - Eine Rolex für 20 Dollar, ein Lacoste-Hemd für den Preis eines Milchkaffees - es ist bekannt, wie ernst es mancher Chinese mit dem geistigen Eigentum nimmt. Kopien stehen im Reich der Mitte hoch im Kurs.
Und das gilt auch für Personenwagen.
Wer in diesen Tagen über die Autoshow in Shanghai (21. bis 28. April) läuft, begegnet vielen Fahrzeugen, die man doch irgendwoher schon zu kennen glaubt. Noch immer sind die teils kuriosen Werke der Kopierer gang und gäbe. Der Analyst Kevin Huang allerdings dreht den Spieß um: Plagiate seien „in der chinesischen Kultur eine besondere Form der Ehrerbietung“, entschuldigt er seine Landsleute. Und im Gespräch mit den Fachleuten vor Ort lernt man: Kopiert wird nur, was man bewundert. „Das darf man unseren Designern nicht krummnehmen“, sagt Huang.
Wenn das stimmt, dann ist die Bewunderung für große Geländewagen bei den Chinesen offenbar besonders groß. So haben die Designer von Hawtai ihren neuesten Allrader vor allem in der Seitenansicht dem ersten Porsche Cayenne nachempfunden. Wie beim Original arbeitet unter der Haube ein Turbo, der allerdings im Hawtai nur 1,8 Liter Hubraum hat und 125 kW/170 PS leistet. „Für das chinesische Tempolimit von 120 km/h wird das wohl reichen“, unkt ein europäischer Messegast beim Blick aufs Datenblatt.
Nebenan bei Huanghai gibt es gleich zwei SUV-Blaupausen: Der Landscape F3 erinnert verdächtig an den japanischen Nobelgeländewagen Lexus RX, und der F1 geht auf den ersten Blick auch als Mercedes M-Klasse durch. Allerdings offerieren die Chinesen eine Karosserievariante, die sich die Schwaben bislang verkniffen haben: Es gibt den chinesischen Allradler auf Wunsch auch als Pick-Up.
Kaum 100 Meter weiter auf dem Stand von Great Wall Motors glänzt im Rampenlicht ein weiterer Pritschenwagen, der die Justiziare auf den Plan rufen dürfte: eine Art VW Amarok. Die Niedersachsen bieten ihren nagelneuen Wagen in China noch nicht an. Da haben Ingenieure im Reich der Mitte das Modell zwischenzeitlich einfach abgekupfert. Und auch verkauft wird er schon als Wingle 5. Ein ähnliches Schicksal hat in Shanghai die Jeep-Modelle Wrangler und Grand Cherokee, den Range Rover aus England oder den Dodge Ram ereilt. Und im Brilliance A3 ist unschwer der BMW X1 wiederzuerkennen - allerdings steht dieser Wagen nicht auf der Messe. Womöglich übten sich die Chinesen höflich in Rücksicht, denn BMW ist Kooperationspartner von Brilliance.
Nicht nur Geländewagen haben es den Nachahmern angetan, sondern auch kleine Stadtautos und Sportwagen. So sind Kopien von Toyota Yaris und Smart sowie VW Scirocco und Nissan 370 Z zu entdecken. Und auch die futuristische Limousine Fisker Karma sieht man auf der Messe im Asien-Look mit chinesischen Markenzeichen. Selbst Autos, die bei uns noch gar nicht auf dem Markt sind, gibt es im Fernen Osten bereits als Klon. So sonnt sich auf dem Brilliance-Stand ein Familienvan im Rampenlicht, der an die VW-Studie Space-Up erinnert - Elektroantrieb inklusive.
Doch es wird nicht immer nur einfach kopiert. „Viele chinesische Unternehmen haben Lizenzen und Konstruktionen westlicher Marken aufgekauft oder entsprechende Kooperationsvereinbarungen getroffen“, erläutert Jato-Analyst Huang. Dass die Autos von Roewe noch immer stark den alten Rovern aus der BMW-Ära ähneln, war abgesprochen und ist deshalb völlig in Ordnung. Die chinesischen Hummer lassen die GM-Juristen ebenso kalt. Und auch gegen die Neuinterpretation des klassischen Londoner Taxis als Familienkutsche Geely Englong SC7 ist aus gleichem Grunde nichts einzuwenden.
Bei allen anderen kopierten Fahrzeugen schütteln die Hersteller der Originale nur noch mit dem Kopf. Die Justiziare gehen bisweilen gegen die Kopien vor und beschreiten den Rechtsweg. Teils nehmen Ingenieure und Designer den Ideenklau aber auch mit einer amüsierten Gelassenheit. Immerhin zeige das, dass man den Geschmack der wichtigen chinesischen Kunden getroffen habe, hört man in den deutschen Delegationen. Da viele Plagiate wie zum Beispiel der BAIC BC 301 als Billigausgabe der Mercedes B-Klasse ausgerechnet von den eigenen Kooperationspartnern kommen, sind den Unternehmen meist ohnehin die Hände gebunden, sagt der Manager eines deutschen Unternehmens: „So etwas steht natürlich nicht in den Verträgen“, räumt er mit einem Schulterzucken ein: „Aber was sollen wir dagegen schon machen?“