Mehr Sicherheit: Assistenzsysteme für kleine Autos

Stuttgart/Wolfsburg (dpa/tmn) - Sicherheit im Auto war bislang meist auch eine Preisfrage. Denn viele Assistenzsysteme findet man in der Regel zuerst in der Oberklasse. Doch nun fahren die elektronischen Schutzengel in immer mehr Klein- und Kompaktwagen mit.

„Demokratisierung der Technik“ - darüber sprechen Vorstandschefs der Automobilbranche gerne. Um ihre Kleinwagen oder Einstiegsmodelle aufzuwerten, rüsten die Hersteller diese Fahrzeuge immer häufiger mit Technologien aus der Oberklasse auf. Was sich in Luxuslimousinen und teuren Geländewagen bewährt hat, kommt so auch einer breiteren Kundenschicht zugute. Das gilt nicht nur für Unterhaltungssysteme und Komfortelemente wie Massagesitze oder schlüssellose Zugangssysteme: Besonders schnell gelingt die Demokratisierung der Technik bei der Sicherheitsausstattung.

Jüngstes Beispiel dafür ist die neue Mercedes A-Klasse, die im März auf dem Genfer Autosalon Premiere feierte und im September in den Handel kommt: „Dieses Auto kann fast alles, was auch unsere S-Klasse kann“, sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche mit Blick auf einen Schwarm von Schutzengeln, die aus der ersten Klasse in die Economy-Klasse umsteigen. So hält das Kompaktmodell auf Wunsch automatisch den Abstand zum Vordermann ein. Das Auto kontrolliert die Aufmerksamkeit des Fahrers und mahnt rechtzeitig zur Pause. Und in brenzligen Situationen spannen sich die Sicherheitsgurte, die Scheiben schließen sich und die Sitze stellen sich auf.

Zetsche zufolge bekommt der Wagen außerdem als erstes Modell seiner Klasse eine radargestützte Kollisionswarnung: Dieses System „warnt den eventuell abgelenkten Fahrer optisch und akustisch vor Hindernissen und bereitet den Bremsassistenten auf eine möglichst punktgenaue Bremsung vor“, erläutert Mercedes-Sprecher Norbert Giesen.

Ein weiteres Beispiel für die Aufrüstung kleinerer Autos liefert die sogenannte New Small Family des VW-Konzerns. VW Up, Seat Mii und Skoda Citigo sind die ersten Kleinstwagen, die über ein automatisches Notbremssystem verfügen. Wie sonst nur bei deutlich größeren Modellen überwacht die Elektronik den Bereich vor dem Fahrzeug und leitet bis Tempo 30 automatisch eine Bremsung ein, wenn eine Kollision droht. „So können viele Auffahrunfälle vermieden werden. Und selbst wenn es trotzdem kracht, passiert dabei nicht mehr so viel“, erläutert Entwicklungschef Ulrich Hackenberg.

Auch bei der Beleuchtung halten neue Technologien aus der Oberklasse Einzug in untere Segmente. Das aktive Scheinwerfersystem AFL von Opel etwa wird mittlerweile vom Flaggschiff Insignia bis zum Einstiegsmodell Corsa angeboten und nach Unternehmensangaben gut nachgefragt: „Selbst beim Corsa bestellt jeder dritte deutsche Kunde das adaptive Licht mit“, sagt Opel-Sprecher Uwe Deller. Das AFL-System verfügt unter anderem über dynamisches Kurvenlicht, Abbiegelicht und eine Fernlichtautomatik.

Mit ihren neuen LED-Matrixscheinwerfern, die blendfreies Fernlicht ermöglichen, wollen die Hessen sogar den umgekehrten Weg gehen. Die Leuchten seien noch nicht ganz serienreif, „aber bis zur Einführung eines neuen Insignia werden wir damit sicher nicht mehr warten“, verspricht Projektleiter Ingolf Schneider. Sie könnten deshalb schon in zwei, drei Jahren kommen, wenn der nächste Astra ansteht.

Dass die Einführung neuer Technologien in der Regel nach einer sogenannten Top-Down-Strategie erfolgt und von der Oberklasse nach und nach in die breiteren und preiswerteren Segmente sickert, kann Marktbeobachter Nick Margetts leicht erklären: „Je größer und vornehmer die Autos, desto höher die Preise. Da kann man neue Assistenzsysteme leichter mit hineinrechnen oder den Kunden einen Aufschlag dafür abverlangen.“ Aber es geht dabei nach Einschätzung des Chefs des Analyseinstituts Jato Dynamics nicht allein um Geld: „In der Oberklasse sind auch die Stückzahlen geringer, so dass man sich mit neuen Systemen langsam an die Großserie herantasten kann.“

Es geht aber auch anders, wie Volvo mit dem neuen V40 zeigt: Weil sich die Schweden in der Kompaktklasse erst noch behaupten müssen, besinnen sie sich auf alte Tugenden und machen den Unfallschutz zum wichtigsten Argument: „Wir wollen das sicherste Auto in diesem Segment“, sagt ein Volvo-Manager und verweist auf Schutzsysteme, die zum Teil selbst in der Oberklasse noch nicht zu haben sind.

So kann das Notbremssystem im V40 Fußgänger erkennen und für diese verzögern, erklärt Pressesprecher Michael Schweitzer. Und falls sich ein Unfall nicht vermeiden lässt, schießt unter der Motorhaube ein Außen-Airbag hervor. Sensoren in der Stoßstange erkennen, ob das Auto auf einen Baum oder ein Bein trifft. Bei der Kollision mit Fußgängern legt sich ein Luftkissen über Motorblock, Scheibenwischer und A-Säulen. Dass Volvo mit diesem System in der Kompaktklasse startet, hat neben der Positionierung des V40 noch einen trivialeren Grund: Die nächste Oberklasse-Neuheit lässt noch Jahre auf sich warten.