Neue Reisemobile: Flacher, leichter, trendiger
Stuttgart (dpa/tmn) - Über die Wahl eines Reisemobils entscheidet auch der Führerschein: Wer den alten der Klasse 3 hat, kann fast jedes Modell steuern. Für den Nachwuchs mit dem neuen B-Führerschein ist bei 3,5 Tonnen Schluss.
Für die Hersteller bedeutet das: abspecken.
Die Reisemobilbranche entwickelt sich mehr und mehr zu einem Zweiklassenmarkt: Auf der einen Seite die finanziell eher unabhängige Kundschaft, die für ein rollendes Zuhause mit allen Annehmlichkeiten gerne mal einen bis zu sechsstelligen Betrag hinblättert. Auf der anderen Seite die junge Kundschaft, die sowohl gut und günstig als auch modern unterwegs sein möchte. Aber: „Die "Silver Ager" werden weniger, daher muss die Branche jetzt Fahrzeuge für die nächste Generation anbieten - und da stellt sich ganz klar die Gewichtsfrage„, sagt Martin Vogt vom Fachmagazin „Reisemobil International“. Denn vom Gewicht hängt ab, ob der Nachwuchs das rollende Heim überhaupt fahren darf.
Bis zu 3,5 Tonnen schwer darf ein Reisemobil sein, wenn der Fahrer mit dem neuen EU-Führerschein der Klasse B am Steuer sitzt. Mit dem alten Führerschein 3 waren aber 7,5 Tonnen erlaubt. Das ist ein deutlicher Unterschied, zumal bei einem voll ausgestatteten Reisemobil mit Schlafplätzen, Küchenzeile und Nasszelle schnell ein paar Tonnen zusammenkommen. Die Hersteller müssen daher in der Klasse der Kompakten und Teilintegrierten den Spagat zwischen guter Ausstattung und geringem Gesamtgewicht schaffen.
„Gewichtsersparnis geht vor allem über zwei Parameter: Material und Größe„, so Vogt. Weil leichtere Baustoffe wie Faserverbundstoffe aber in der Regel teuer sind, gehen die Hersteller dazu über, bei der Bauweise Gewicht einzusparen. Carthago bringt mit dem C-tourer I 138 lightweight ein integriertes Reisemobil mit nur rund 2,84 Tonnen Gewicht an den Start. „Das geringe Gewicht erreichen wir beispielsweise beim Holz der Inneneinrichtung, durch ausgefräste Verblendungen“, erklärt Sprecher Christof Folkerts. Daneben habe Carthago durch einen neuen Rahmen viel Gewicht einsparen können. Noch leichter mit nur 2,8 Tonnen ist das Modell C-Compactline (ab 67 990 Euro), bei dem die Fahrzeugbreite um 15 Zentimeter auf 2,12 Meter reduziert wurde.
Ebenfalls auf eine schlanke Taille achtet Bürstner beim neuen Viseo, dessen Breite auf 2,20 Meter reduziert wurde. Vor allem „jung gebliebene Senioren“ will der Hersteller mit dem Modell ansprechen. Auf 6,90 Metern bietet er dafür unter anderem eine voll ausgestattete Küche, Einzelbetten und ein GfK-Dach serienmäßig. Die Preise für den Kompakten auf Fiat-Ducato-Basis beginnen bei 62 370 Euro.
Ein geringeres Gewicht wirkt sich positiv auf den Spritverbrauch aus. Um den zusätzlich zu senken, feilen viele Hersteller zusätzlich an der Aerodynamik. „Sparsame und kompakte Autos sind dieses Jahr ein großes Thema. Auf die Unterhaltskosten wird sehr genau geschaut“, sagt Werner Wieners vom Caravaning Industrie Verband (CIVD). Adria etwa hat mit dem Teilintegrierten Coral ein sehr flaches Fahrzeug gebaut, bei dem die Höhe von 2,70 auf 2,58 Meter reduziert wurde. Die Preise starten bei rund 53 000 Euro.
Auch der Innenraum bietet Einsparmöglichkeiten. LMC etwa sieht einen Trend von der Voll- zur Halbdinette - sprich zu einer kompakten Sitzgruppe. Statt der klassischen L-Form gibt es beim SL 672 G (ab 50 200 Euro) nur zwei gegenüberliegende Bänke. Das spart Fahrzeuglänge und damit Gewicht. Dieses Ziel verfolgt auch der Hobby Siesta Sport A55 GS mit Alkoven. Das 5,64 Meter kurze Reisemobil ist so konzipiert, dass am Heck eine Haltevorrichtung für Sportgeräte montiert werden kann. Er ist ab rund 43 000 Euro zu haben. Den Geldbeutel seiner Kunden schonen will auch Dethleffs mit der neuen Baureihe Trend, die für Einsteiger gedacht ist und einen Teilintegrierten auf Fiat Ducato-Basis für knapp 42 000 Euro umfasst.
Längs angeordnete Einzelbetten bleiben auch 2013 die bevorzugte Variante bei den klassischen Reisemobilen. Daneben punkten viele Modelle mit einem Raumbad und voll ausgestatteten Küchen. Und immer stärker hält das Smartphone Einzug: “Etliche Hersteller bieten mittlerweile Docking-Funktionen wie USB-Ports an, da gibt es einige Trends, die vom Pkw-Markt herüber schwappen„, erklärt Martin Vogt.
Abseits der Diskussion um Gewichtslimits und Führerscheinklassen gibt es aber noch eine andere Entwicklung: Der Kastenwagen ist wieder gefragt. Was früher der Bully war, sind heute der VW T5 und artverwandte Ausbauten. „Das ist ein Phänomen verschiedener Gruppen“, sagt Vogt. Sowohl erfahrene Reisemobilisten, denen ihr klassisches Fahrzeug zu groß ist, als auch Jüngere, die einen T5 vielleicht auch als Alltagsfahrzeug nutzen, interessierten sich für diese Modelle.
Ein Beispiel hierfür ist die Modellreihe HymerCar, die auf dem Fiat Ducato und neuerdings auch auf dem VW T5 aufgebaut ist. „Das sind Fahrzeuge mit einem freizeitorientierten Grundriss, von außen sehr dezent und damit kaum als Reisemobil zu erkennen“, meint Vogt. Durch variable Stauraumkonzepte lassen sich zudem Sport- und Freizeitgeräte vom Tauchequipment bis zum Fahrrad transportieren. Die Einstiegspreise liegen bei 43 000 Euro.