Opel neuer Liebling von GM: Vom Sorgenkind zum Musterknaben
Rüsselsheim (dpa) - Es ist noch nicht allzu lange her, da galten Opel als spießige Altherren-Autos. Die Verkäufe fielen, die Verluste stiegen. Mutterkonzern GM wollte die Rüsselsheimer sogar loswerden.
Welch ein Wandel: Heute ist Opel der Liebling der Konzernführung.
General Motors' Liste der zurückgerufenen Automodelle ist zwei dicht beschriebene Schreibmaschinen-Seiten lang. 60 einzelne Rückrufe finden sich darauf, die weltweit knapp 29 Millionen Wagen betreffen: vom kleinen Einsteigerauto Chevrolet Cobalt bis zum wuchtigen Luxusgeländewagen Cadillac Escalade. Einzig Opel glänzt durch fast vollständige Abwesenheit auf dieser Liste - und dies im wahrsten Sinne des Wortes. Nur ein paar Tausend GT-Roadster müssen in die Werkstätten und die stammen aus amerikanischer Produktion. Ansonsten scheint bei Opel alles in schönster Ordnung.
Noch in der Wirtschaftskrise spielte die Konzernmutter General Motors mit dem Gedanken, die deutsche Tochter abzustoßen. Nach anhaltenden Verkaufsrückgängen fuhr sie einen brachialen Sanierungskurs. Heute sind die Konzernoberen in Detroit froh, dass sie die Rüsselsheimer und ihre Ingenieure haben.
Neue Modelle wie der kleine SUV Mokka oder der schicke City-Flitzer Adam verkaufen sich blendend. Zusammen mit der Werbekampagne „Umparken im Kopf“ verhelfen sie der Marke zu einem insgesamt besseren Image. Bald schon - spätestens 2016 - soll Opel auch wieder Gewinne schreiben. Der Autobauer hat damit binnen weniger Jahre eine 180-Grad-Wendung hingelegt: vom Sorgenkind zum Musterknaben.
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, lange Zeit ein großer Kritiker der Rüsselsheimer, schlägt inzwischen ganz andere Töne an: „Die arbeiten sich Stück für Stück nach oben. Der neue Corsa steht vor der Tür, der Adam kommt gut an, die Marktanteile gehen nach oben. Bei GM sorgt derzeit Opel für die guten Schlagzeilen, während GM zu Hause mit Rückrufen beschäftigt ist.“
Beobachter sind sich einig: Die Wende hin zum besseren trägt die Handschrift von Karl-Thomas Neumann. Seit der frühere VW- und Continental-Manager im März 2013 das Steuer bei Opel übernahm, hat sich viel getan. Auch, weil Neumann sofort erkannte, dass Opel dringend sein schlechtes Image loswerden muss: „Die größte Baustelle ist die Marke“, sagte er: „Wir müssen nur den Staub vom Opel-Blitz fegen und die Marke jünger, moderner und damit noch attraktiver machen. Der Blitz muss wieder glänzen.“
Neumanns erstes Jahr an der Opel-Spitze war zugleich das erste nach 15 Jahren, in dem die Marke in Europa beim Marktanteil wieder leicht auf 5,6 Prozent zulegen konnte. Bis 2022 soll der Anteil auf 8 Prozent steigen - dann sei auch eine operative Gewinnmarge von 5 Prozent möglich, betont Neumann: „Das ist für einen Autohersteller, der fast ausschließlich in Europa agiert, ein wirklich guter Wert.“
Die Fortschritte bei Opel sind umso augenfälliger, als General Motors auf dem Heimatmarkt mit Schlampereien bei der Fahrzeug-Sicherheit zu kämpfen hat, die eine der größten Rückrufwellen aller Zeiten auslösten. Wegen der hohen Kosten für die anstehenden Reparaturen ist der Gewinn eingebrochen: Im zweiten Quartal verdiente GM nur 190 Millionen Dollar (141 Mio Euro)- nach 1,2 Milliarden vor einem Jahr. Der mögliche Imageschaden ist kaum bezifferbar. Ganze vier Mal musste Konzernchefin Mary Barra wegen des jahrelang verschleppten Rückrufs defekter Zündschlösser schon vor Kongressausschüssen aussagen.
Kein Wunder, dass GM inzwischen die Nähe zu Opel sucht. Bei ihrem Antrittsbesuch in der Opel-Zentrale im Januar sagte Barra: „Für mich war es sehr wichtig, das Bekenntnis von GM zu Opel zu unterstreichen - ebenso wie den Stellenwert von Opel für den Gesamtkonzern.“
Den Worten folgten Taten: In Rüsselsheim wird derzeit ein Test- und Entwicklungszentrum für Motoren gebaut, Opel wurde die Verantwortung für den Wachstumsmarkt Russland übertragen und für die geplante Fertigung von Fahrzeugen für Buick in den USA sowie Holden in Australien und Neuseeland. Seit Juli steuert Neumann die neue Opel Group und damit das komplette GM-Europa-Geschäft samt Russland, inklusive der Marken Chevrolet und Cadillac.
Auch wenn die Stimmung bei Opel so gut ist wie lange nicht: Gewinne wird es 2014 noch nicht geben: Die Autofertigung in Bochum läuft zum Jahresende aus, Restrukturierungskosten von mehr als 600 Millionen Euro dürften die operativen Verluste noch einmal steigen lassen.
Knapp die Hälfte dieser Kosten sind bereits im ersten Halbjahr angefallen - das hat den GM-Europaverlust in diesen sechs Monaten von 266 auf 589 Millionen Dollar (437 Mio Euro) steigen lassen - obwohl Opel bei Absatz und Umsatz zulegen konnte. Opel-Finanzchef Michael Lohscheller spricht von „substanziellen Sonderbelastungen, die unser Ergebnis auch im weiteren Jahresverlauf spürbar beeinflussen werden.“