„Nicht nur für DDR-Nostalgiker“ Russlands Lada sucht Weg aus Krise
Togliatti (dpa) - Nicolas Maure, der Chef des russischen Autobauers Avtovaz, kämpft an vielen Fronten: zu wenig verkaufte Autos, zu viel Personal, zu schlechter Ruf. Seit knapp einem Jahr ist der 56-jährige Franzose beim Konzern der Traditionsmarke Lada am Ruder und gibt einen klaren Kurs vor.
„Wir wollen ab 2018 wieder kostendeckend arbeiten“, sagt Maure. Dafür setzt er testweise auch auf den Exportmarkt Deutschland. Von März an soll der Lada Vesta, das neue Aushängeschild von Avtovaz, in Deutschland zu haben sein.
Lada mit dem Segelboot als Logo ist mit Abstand der größte Autobauer in Russland. Im Westen sind die Autos zu Sowjetzeiten durch den Schiguli mit seiner markant-eckigen Form bekannt geworden. Seit Jahren kämpft der Konzern mit Strukturproblemen, verschärft durch die Absatzkrise in Russland. Der Markt hat sich in vier Jahren halbiert.
Die Produktion am Firmensitz Togliatti rund 1000 Kilometer östlich von Moskau ist seit Mitte der 2000er Jahre um gut die Hälfte geschrumpft. Zwar beherrscht Lada noch den Markt mit 20 Prozent Anteil, aber mit 266 000 verkauften Autos 2016 reicht es kaum, um profitabel zu sein. Daher soll künftig mehr exportiert werden.
So kommt Deutschland ins Spiel. „Unsere Zielgruppe sind nicht nur DDR-Nostalgiker“, sagt Konzernchef Maure. Er lacht, seine Laune ist gut, denn er hat nichts zu verlieren in Deutschland. „Erwarten Sie nicht, dass wir Deutschland mit russischen Autos überschwemmen werden.“ Ladas Hauptexportziel seien Ex-Sowjetrepubliken. „Später wollen wir nach Nahost, Afrika und Lateinamerika expandieren.“
„Den Export nach Deutschland zu steigern ist gut, aber das dürfte kaum ausreichen“, sagt Experte Sergej Iwanow vom Portal cartimes.ru. 2016 konnte Avtovaz rund 1600 Fahrzeuge in Deutschland absetzen. Maure fände hier schon eine Steigerung um 2000 Autos gut. „Wir wollen den Vesta im anspruchsvollsten Markt Europas testen und unseren russischen Kunden zeigen, dass das Auto auch in Deutschland gut ankommt.“ Eine Visitenkarte also gegen einen mittelmäßigen Ruf.
Bissig sind die Witze, die am Image von Lada kratzen und das Auto als unzuverlässige sowjetische Klapperkiste darstellen. „Wie verdoppelt man den Wert seines Lada? Volltanken!“, wird im Netz geätzt.
Gegen solche Scherze wehrt sich Maure. Früher hätte Lada als günstige Alternative zu teuren Marken gegolten. „Wir wussten, dass sie liegen bleiben, aber wir wussten auch, dass sie einfach zu reparieren sind“, meint er. Heutige Ladas seien nicht mehr wie ihr Vorgänger Schiguli. „Das ist ein ganz normales Auto zu einem sehr guten Preis“, betont Maure. „Wir wollen wettbewerbsfähigere, qualitativ hochwertigere und kosteneffizientere Autos bauen.“
Darum kümmert sich etwa Konstantin Perewostschikow. Der Ingenieur leitet eine Fertigungslinie für Motoren. „Computer prüfen jeden Arbeitsschritt. Wenn etwas falsch ist, stoppt die Linie“, sagt er.
Unter der Aufsicht des hochgewachsenen Mannes werden Motoren von Ladas Partnern Renault und Nissan gebaut. Die Allianz der Autobauer aus Frankreich und Japan war 2008 bei Avtovaz eingestiegen, um sich stärker auf dem Hoffnungsmarkt Russland zu positionieren. Zuvor hatte Renault schon den rumänischen Hersteller Dacia saniert. Aber das Projekt Lada entpuppte sich als milliardenschweres Zuschussgeschäft.
Mit Renault habe sich vieles geändert, sagt Perewostschikow. „Ein Jahr haben wir modernisiert, um Motoren von Renault zu bauen.“
Beim Gang durch das Werk fallen moderne Roboter auf, aber auch viel ungenutzte Fläche. Raum für eine Produktionssteigerung, heißt es. Doch es zeigt auch: Der Konzern schrumpft sich gesund.
Zehntausende Mitarbeiter mussten in den vergangenen Jahren Avtovaz verlassen. Auch unter Maure, den Renault 2016 installiert hatte, ist offen, ob die rund 50 000 Angestellten alle bleiben können. „Es ist offensichtlich, dass wir zu viele Mitarbeiter haben“, bekennt Maure.
Auf Kündigungen will er aber verzichten. „Gerade in einer Monostadt wie Togliatti können wir nicht einfach die Leute entlassen.“ Mit der Gründung von Avtovaz 1966 machte die sowjetische Planwirtschaft den Ort an der Wolga zu einer auf die Autoproduktion spezialisierten Industriestadt. Heute gibt es in vielen „Monostädten“ Probleme, denn in der Marktwirtschaft hat sich das Konzept überholt. Nur langsam entstehen Alternativen für jene, denen Arbeitslosigkeit droht.
Avtovaz suche gezielt nach Jobs für überschüssiges Personal, sagt Maure. Rund 1000 Angestellte sollen nach seiner Darstellung noch in diesem Jahr in einem neuen Callcenter einer russischen Bank anfangen.
Experte Iwanow sieht bislang keinen Kurswechsel unter Maure. Die Modernisierung habe früher begonnen. „Ohne Finanzhilfe ist eine Neuausrichtung kaum machbar.“ Derzeit läuft eine Rekapitalisierung, an deren Ende Renault mehr als 70 Prozent der Anteile an Avtovaz halten dürfte. Zwar habe sich Ladas Image verbessert. „Aber Lada ist noch immer schlechter als jedes europäische Auto“, sagt Iwanow.
Schützenhilfe kommt bisweilen von Präsident Wladimir Putin. Als dieser 2010 einen Lada Kalina testete, verpasste er der quietschgelben Motorhaube ein Autogramm. „Das hilft, denn es schafft positive Energie“, sagt Maure. „Aber ich würde es vorziehen, wenn bei den Behörden mehr Lada gefahren würde anstelle von deutschen Autos.“