Über 100 Jahre Mit dem Laubfrosch war bei Opel alles im grünen Bereich

Rüsselsheim · Er war schon Volks-Wagen, als sie in Wolfsburg noch Schafe gezüchtet haben. Mit dem Laubfrosch holte Opel die Großserienfertigung nach Deutschland und machte das Auto erschwinglich - eine Ausfahrt.

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Eine fragile Karosse wie ein Ruderboot auf schmalen Scheibenrädern und darüber ein Verdeck aus dünnem Tuch. Wäre er in Rot lackiert, könnte er glatt als Donald Ducks Dienstwagen durchgehen. Doch erstens ist der 313 aus den Disney-Comics ein paar Jahre jünger, und zweitens hat es den Opel 4/12 PS bei seiner Premiere im Jahr 1924 nur in Grün gegeben - nicht umsonst hat ihn der Volksmund schnell zum Laubfrosch gemacht.

Grüne Sparsamkeit vor über 100 Jahren

Die ausschließlich grüne Lackierung war allerdings keine Stilfrage, sondern der Sparsamkeit geschuldet. Denn nachdem Opel in den ersten 25 Jahren seiner Automobilproduktion mit Modellen wie dem „Doktorwagen“ (Opel 4/8 PS) oder dem Lutzmann nur schwerlich auf Stückzahlen kam und die Wirtschaft nach dem Ersten Weltkrieg partout nicht anspringen wollte, entschieden sich die Gebrüder Wilhelm und Fritz für einen radikalen Neuanfang, zitiert Leif Rohwedder aus der Firmenchronik.

Sie reisten daher nach Amerika, um sich bei Ford die neue Fließband-Produktion abzuschauen. Selbst wenn das in Rüsselsheim am Anfang gerade mal 45 Meter lang war, wurden so am Tag 25 und später auf einer bis zu zwei Kilometer langen Fertigungsstraße immerhin schon täglich 125 Laubfrösche fertig.

Kostengünstig und alles im „grünen“ Bereich

Und sie haben genau studiert, wie die Konkurrenten ihre Kosten in den Griff bekommen hatten: Statt auf aufwendige Felgen haben sie deshalb auf Scheibenräder aus Pressstahl gesetzt, sie haben nur eine Tür eingebaut und statt einer ganzen Modellpalette wurde erst mal nur der Zweisitzer mit spitzem Bootsheck und dem 9 kW/12-PS-Motor angeboten. Limousine, Dreisitzer und ein Motor mit immerhin schon 15 kW/20 PS kamen deshalb erst später. Und die Hessen haben ihren Hoffnungsträger anfangs eben auch nur in einer Farbe lackiert. So kam es, dass bei Opel damals alles im „grünen“ Bereich war.

Erster Großserienwagen - aber keine volkstümlichen Preise

Damit wurde der Laubfrosch zum ersten deutschen Auto, bei dem man von Großserie sprechen konnte und von dem, was Ökonomen heute Skaleneffekte nennen, sagt Frank Wilke vom Marktbeobachter Classic Analytics im Bochum. Und er stempelt den kleinen Opel zu einem frühen Vorläufer des Volkswagens - lange, bevor sie in Wolfsburg überhaupt an VW gedacht, geschweige denn Autos gebaut haben.

Wobei das mit den volkstümlichen Preisen so eine Sache war: Denn auch wenn der Laubfrosch damals als halbwegs erschwinglich galt, hat er mit einem Grundpreis von anfangs 4.500 Rentenmark noch immer so viel gekostet wie ein Eigenheim. Doch mit steigenden Stückzahlen und effizienterer Produktion haben die Gebrüder Opel den Preis peu à peu bis auf 1.990 Mark gedrückt.

Moderne Technik - das Schaltgestänge ist in der Mitte

Und immerhin gab es vergleichsweise viel Auto oder zumindest moderne und vor allem für diese Zeit leicht bedienbare Technik fürs Geld. Ja, der Laubfrosch ist mit 3,25 Metern Länge und 1,35 Metern Breite vergleichsweise winzig und geht heute im Straßenbild schier unter.

Und natürlich braucht man ein bisschen Kraft und Geschick, wenn man den Reihenvierzylinder mit der Kurbel anwerfen will. Doch wenn der Einliter-Motor erst mal munter pöttert, fühlt sich der Laubfrosch fast wie ein modernes Auto an. Nun ja, zumindest wie ein Youngtimer - schließlich ragt das Schaltgestänge bereits zwischen den Sitzen auf statt wie sonst um diese Zeit meist außerhalb der Karosserie und auch die drei Pedale im Fußraum wirken irgendwie vertraut, selbst wenn das Lenkrad hier noch auf der „falschen“ Seite prangt.

Frösche sind nicht die schnellsten - auch die auf vier Rädern nicht

Nur eilig darf man es dabei freilich nicht haben. Denn mehr als 60 km/h hat der Oldtimer schon als Neuwagen nicht geschafft. Und heute will man ihm selbst die nicht mehr zumuten. Erst recht nicht, weil die Bremsen kaum mehr Biss haben als bei einem Fahrrad und das Verdeck schon bei besserem Schritttempo gehörig zu flattern beginnt. Und auch wenn die Federung damals für üble Pisten ausgelegt war und nicht für unsere glatten Straßen, mag man ihr kaum einen Kanaldeckel zumuten.

Wer allerdings denkt, große Sprünge seien mit dem Laubfrosch deshalb nicht drin gewesen, dem präsentiert Rohwedder stolz das archivierte Schreiben eines Herrn O.B. aus Dortmund. Der bedankte sich bei den Opels damals für 500 pannenfreie Kilometer pro Woche.

Der Laubfrosch war mal begehrter Oldie - und heute?

So wichtig der Laubfrosch für Opel als erstes großes Erfolgsmodell und für die Deutschen als Motor des Fortschritts war, so unbedeutend ist er mittlerweile für die Oldtimer-Szene - selbst Opel-Fans fahren lieber Manta, Commodore oder Calibra. Aber das war nicht immer so, sagt Frank Wilke.

Als sich die Oldtimer-Szene in den 1970er-Jahren so langsam organisierte, war der Laubfrosch noch eine große Nummer: Er war in großer Zahl vorhanden. Schließlich baute Opel von 1924 bis 1931 über 120.000 Autos.

„Außerdem hat er nicht die Welt gekostet und war vor allem so einfach konstruiert, dass man ihn mit jedem haushaltüblichen Werkzeugkasten reparieren konnte - selbst ohne "How-to"-Videos aus dem Internet“, sagt Wilke.

Spätestens zur Jahrtausendwende sei der Laubfrosch allerdings genau wie alle anderen Vorkriegsautos immer öfter durchs Raster gefallen, weil die jüngeren Fans mit den alten Modellen wenig anfangen konnten. Auch weil ihre Bedienung vergleichsweise kompliziert war und weil sich der Fahrspaß in engen Grenzen hielt.

Doch das ändert sich gerade, gibt Wilke Entwarnung. Immer öfter registriert er bei Klassikertreffen wieder junge Fans in ganz alten Autos wie dem Ford Model A oder eben dem Laubfrosch. „Denn damit erregt man mittlerweile mehr Aufmerksamkeit als mit dem fünften Flügeltürer oder dem zehnten Ferrari.“ Und man muss nur einen Bruchteil dafür zahlen. Denn im Zustand Zwei werde ein Laubfrosch heute für bescheidene 22.000 Euro gehandelt.

Eine gute Geschichte zum Abschluss

Und eine gute Geschichte gibt's gratis dazu, sagt Wilke - und meint nicht nur Historie des vermeintlichen Volks-Wagens und den Beginn der automobilen Massenproduktion in Deutschland. Sondern auch eine, die mittlerweile in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen ist.

Denn Opel hat sich für den Laubfrosch so sehr vom Citroën 5CV „inspirieren“ lassen, dass die Franzosen den ersten Plagiatsprozess der Automobilgeschichte angestrengt haben - und vor Gericht unterlegen sind. Denn, so argumentieren die Richter, der Citroën sei traditionell in Gelb lackiert worden und der Opel allenfalls „dasselbe in Grün.“

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(dpa)