So kommen Autofahrer mit schlechter Sicht klar
Berlin (dpa/tmn) - Ob durch Gegenverkehr oder die Sonne: Werden Autofahrer geblendet, bedeutet das Kontrollverlust am Steuer. Im Extremfall hilft nur noch vorsichtiges Anhalten. Moderne Assistenzsysteme tragen dazu dabei, solche gefährlichen Situationen zu entschärfen.
Stellen Sie sich vor, Sie schließen die Augen und rasen im Blindflug dahin. Was auf der Liege in einer esoterischen Wellness-Praxis noch als Einstimmungsübung durchgehen könnte, kann auf dem Fahrersitz eines Autos in ein Horrorszenario münden. Denn sobald das Fahrerauge durch Blendung kurzfristig „erblindet“, ist das Auto quasi führerlos. Bei Tempo 100 werden pro Sekunde knapp 28 Meter zurückgelegt. Viel Strecke für einen Unfall.
Nach Angaben der Deutschen Verkehrswacht (DVW) ereignen sich 40 Prozent der tödlichen Unfälle bei Dunkelheit und Dämmerung, obwohl das Verkehrsaufkommen bei widrigen Lichtverhältnissen weit geringer ist als bei Helligkeit. Im Herbst steige das Crash-Risiko für Autofahrer folglich wieder an, sagt DVW-Sprecherin Hannelore Herlan. Gefragt sei dann umso mehr gute Sicht und Sichtbarkeit im Verkehr.
Um die Sichtbarkeit von Autos zu verbessern, müssen seit dem 7. Februar alle Neufahrzeuge mit Tagfahrlicht ausgestattet sein. Es schaltet sich beim Anlassen des Wagens automatisch ein. Seine Vorteile könne das neue Pflicht-Licht vor allem im Herbst und Winter ausspielen - und das nicht nur im Zwielicht, sondern auch bei Blendung durch die tiefstehende Sonne, sagt Stephan Immen, Pressesprecher des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA)in Flensburg.
Von Januar bis Juli wurden nach KBA-Angaben rund 1,67 Millionen Pkw neu zugelassen. Bei einem Bestand von mehr als 42 Millionen Pkw in Deutschland wird sich das erhoffte Sicherheitsplus durch Tagfahrlicht in diesem Herbst folglich noch nicht durchschlagend bemerkbar machen. Unabhängig vom Tagfahrlicht raten Verkehrsexperten Autofahrern, die einschlägigen Tipps zu beherzigen.
Dazu zählt etwa die Scheibenhygiene. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) warnt vor „Streulicht“ durch verschmutzte Scheiben. Regelmäßiges Reinigen der Außen- und Innenflächen vermindere die Blendgefahr. Deshalb sollten auch die Wischerblätter in Ordnung und der Wischwasserbehälter gut gefüllt sein. Brillenträger sollten auch ihre Gläser sauber halten.
Bricht ein Sonnenstrahl plötzlich durch die Wolkendecke oder bekommt man es mit einem notorischen Fernlicht-Fahrer im Gegenverkehr zu tun, ist die Blendung meist nicht zu vermeiden. Gleiches gilt für Dämmerungsfahrten auf regennasser Straße, wenn Reflexionen für kurzfristige Orientierungslosigkeit am Lenkrad sorgen können. In solchen Fällen heißt es: Ruhe bewahren und das Fahrtempo verringern.
„Wenn durch schmutziges Spritzwasser die Scheibe verdreckt ist und das Wasser in der Wischwaschanlage aufgebraucht ist, ist die Sicht bei Sonneneinstrahlung gleich null“, warnt ADAC-Verkehrsexperte Andreas Hölzel vor einem weiteren Problem. Im Extremfall helfe dann nur noch kontrolliertes Anhalten am Seitenstreifen, Warnblinkanlage anschalten und Ursache beheben. Fällt die Blendung nicht ganz so stark aus, bietet der Seitenstreifen bei der vorsichtigen Weiterfahrt gute Orientierung. „Und Abstand halten ist ganz wichtig“, so Hölzel.
Zur Unfallvorbeugung gehört auch die richtige Einstellung der Scheinwerfer. Wer zum Beispiel sein Auto voll belädt, muss auf den richtigen Abstrahlwinkel achten, um den Gegenverkehr nicht zu blenden. „Die Leuchtweitenregulierung ist Pflicht bei allen Neuwagen. Wie die Einstellung vorgenommen wird, kann in der Bedienungsanleitung nachgelesen werden“, sagt Arnulf Thiemel vom ADAC-Technikzentrum. Die Deutsche Verkehrswacht bietet jeden Herbst in Zusammenarbeit mit dem Kfz-Gewerbe kostenlose Lichttests an.
Fahrerassistenzsysteme wie Abbiegelicht oder Fernlichtassistent können in der dunklen Jahreszeit ebenfalls ein Segen sein. „Sehen und gesehen werden - das wird bei den Fahrassistenten groß geschrieben“, sagt Claudia Weiler vom Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK). Ein Fernlichtassistent, wie er bis dato fast ausschließlich Fahrzeugen der oberen Klassen vorbehalten sei, schaltet mit Hilfe von Sensoren das Fernlicht nur partiell aus. So wird der Gegenverkehr nicht geblendet, die Fahrbahn aber weiterhin optimal ausgeleuchtet.
Auch ein Regensensor, der die Wischerblätter bei Bedarf schwingen lässt, trage letztlich zur besseren Sicht bei, erläutert Weiler. Ein weiterer Helfer sei das von einigen Herstellern angebotene Regenlicht. Dabei schalte sich das Fahrlicht automatisch ein - immer, wenn der Scheibenwischer länger als eine bestimmte Zeit läuft.
Für bessere Sicht sorgt schließlich noch das Abbiegelicht, das sich in vielen Modellen bei einem genügend großen Einschlag des Lenkrades oder beim Blinken selbst aktiviert. „Fußgänger lassen sich damit wesentlich früher erkennen“, so Weiler. Dies ist vor dem Hintergrund bedeutsam, dass laut DVW rund 90 Prozent der Autofahrer, die bei Dunkelheit mit einem Fußgänger kollidierten, angeben, diesen schlicht nicht gesehen zu haben.