So lassen sich Wildunfälle vermeiden
Berlin (dpa/tmn) - Je früher der Abend wieder hereinbricht, desto größer wird das Risiko eines Wildunfalls. Schutz vor der Kollision mit Rehen oder Wildschweinen bietet eine gemäßigte und vorausschauende Fahrweise - und in Zukunft vielleicht auch die Fahrzeugelektronik.
Jedes Jahr ereignen sich in Deutschland nach Angaben der Versicherungswirtschaft rund eine Viertelmillion Wildunfälle. Meist geraten Autofahrer in der Dämmerung auf Kollisionskurs mit Bambi und Co. Weil die Tage jetzt wieder kürzer werden, steigt das Unfallrisiko.
Blitzen die Augen eines Rehs im Scheinwerferlicht auf, lässt sich ein Crash oft nicht mehr verhindern. Der ADAC warnt in dieser Situation vor riskanten Ausweichmanövern: Lieber stark abbremsen und das Tier notfalls überfahren als beim Ausweichen gegen einen Baum oder ein anderes Auto donnern. Denn dabei drohen den Pkw-Insassen deutlich schwerere Verletzungen. Und wer bei einem Ausweichmanöver verunglückt, könnte gegenüber seiner Versicherung in Beweisnot geraten, gibt der Automobilclub zu bedenken. Schäden, die eindeutig von einem Unfall mit Haarwild stammen, seien dagegen in der Regel durch die Teilkaskoversicherung gedeckt.
Sollte es zum Aufprall kommen, müssen sich Autofahrer auf einen harten Einschlag gefasst machen. Denn durch die Geschwindigkeit des Fahrzeugs werden Wildtiere zu tonnenschweren Hindernissen: Die Wucht, mit der ein Wildschwein bei Tempo 60 vors Auto knallt, entspricht dem Gewicht eines Nashorns - rund 3,5 Tonnen, erläutert der ADAC.
Für das Tier endet so ein Unfall oft tödlich. Die Autoinsassen kommen dagegen meist mit dem Schrecken davon, hat der Autoclub bei einem Crashtest mit einem Hirsch-Dummy ermittelt. Bei dem Unfall mit 40 km/h wurde die Motorhaube zwar stark eingebeult. Die Frontscheibe blieb aber intakt. „Der Fahrer wäre bei einem realen Unfall unverletzt geblieben“, schließt daraus ADAC-Sprecher Andreas Hölzel.
Nach einem Wildunfall gilt: Warnblinkanlage einschalten, die Unfallstelle mit dem Warndreieck absichern und die Polizei alarmieren. Nur die Beamten oder der Jagdpächter können die nötige Bescheinigung für die Versicherung ausstellen. Das angefahrene Tier sollte man nicht anrühren: Ist es verletzt, kann es unberechenbar reagieren. Außerdem besteht die Gefahr einer Tollwutinfektion.
Laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gibt es bisher „keine wirksamen Mittel, die Verkehrsteilnehmer nachhaltig vor dem Risiko eines Wildunfalls schützen“. Duftbarrieren, Reflektoren oder der Grünrückschnitt am Straßenrand hätten in der Vergangenheit kaum zur Verringerung von Wildunfällen beigetragen, so das Ergebnis einer GDV-Studie. Der ADAC mahnt deshalb gerade im Bereich von Wäldern zu ständiger Alarmbereitschaft: Vorausschauend fahren, aufmerksam und bremsbereit sein, lautet die Devise. „Taucht ein Tier auf, muss man abblenden, bremsen, langsam weiterfahren - und mit weiteren Tieren rechnen“, so Hölzel.
Sind Autofahrer heute noch auf sich gestellt, werden sie künftig wohl verstärkt auf die Hilfe ihres Wagens bauen können. Schon jetzt lassen sich mit Infrarot-Nachtsichtsystemen, wie sie etwa Audi, BMW und Mercedes in ihren Oberklasse-Modellen anbieten, Menschen und Tiere in der Dunkelheit ausmachen. Derzeit erweitern die Hersteller diese Technik um eine Bilderkennung. In ersten Fahrzeugen analysiert die Elektronik die Videosignale, kann Passanten erkennen und den Fahrer mit Warnsymbolen auf die mögliche Gefahr hinweisen.
Im nächsten Schritt werden die Nachtsichtassistenten bei Mercedes und BMW mit intelligenten Zusatzscheinwerfern kombiniert: Um den Blick des Fahrers in die Gefahrenzone zu lenken, werden die Fußgänger etwa im Mercedes CL kurz angeblinkt und bei den Münchnern demnächst mit einem Lichtstrahl in Szene gesetzt. „Damit lenken wir die Aufmerksamkeit des Fahrers dorthin, wo es nötig wird“, erläutert BMW-Entwickler Dominik Schneider.
Bei der Erkennung von Wild stößt die Bildverarbeitung noch an ihre Grenzen. „Ein Mensch sieht für die Elektronik aus allen Blickwinkeln ähnlich aus und hat ein vergleichsweise simples Bewegungsmuster“, erklärt Schneider. Ein Wildschwein und ein Reh hätten dagegen kaum Gemeinsamkeiten und bewegten sich obendrein vielfältiger. „Deshalb wird es noch dauern, bis die Elektronik auch Tiere erkennen kann.“
Andreas Eidehall gehört zu den Sicherheitsexperten von Volvo und hat in den vergangenen Monaten viele Dämmerungsstunden in Tierparks verbracht, um die Bildanalyse der schwedischen Autos auf Rentiere und Elche zu „trainieren“. Das System von Volvo soll künftig nicht nur auf Wild hinweisen, sondern nach erfolgloser Warnung des Fahrers auch automatisch bremsen. Wann die Technik serienreif sein wird? „In den nächsten Jahren“ ist alles, was Eidehall dazu sagen kann.