So zeigen Radfahrer dem Winter die kalte Schulter
Bremen (dpa/tmn) - Radfahren im Winter? Im Prinzip ist das kein Problem, sagen Experten. Solange das Wetter einigermaßen mitspielt, muss niemand auf den Drahtesel verzichten. Allerdings sollten Radler einige Tipps beherzigen, bevor sie in die kalte Jahreszeit starten.
Vor allem in den Großstädten ist es nicht zu übersehen: Radfahren ist in Mode. Im Berufsverkehr schieben sich lange Kolonnen an den Staus vorbei. Allerdings gilt das nur für die Sommermonate. Werden die Tage kürzer, verschwindet der Großteil der Fahrräder wieder von den Straßen. Schade eigentlich, denn Radler verlieren flugs die erarbeitete Kondition, wenn sie auf Bus oder Auto umsteigen. Dabei gibt es auch in der dunklen Jahreszeit genug Tage, die sich zum Radfahren eignen - etwas Vorbereitung vorausgesetzt.
„Ich fahre sehr viel im Winter. Für mich ist das die wichtigste Zeit, um mich für die nächste Saison fit zu machen“, sagt Amir Kabbani. Der 22-Jährige ist Mountainbike-Profi und einer der besten deutschen Dirtbike-Fahrer. Der wichtigste Unterschied zum Sommer, der Kabbani einfällt: „Man muss viel mehr über Kleidung nachdenken. Sonst ist einem nach der ersten Abfahrt so kalt, dass nichts mehr geht.“
Auch Jens Hegler ist Experte, was das Fahren bei Kälte anbelangt. Er hat unter anderem mit dem Fahrrad im Winter Lappland durchquert. Für die Kleiderwahl rät er winterharten Radlern: „Wenn einem beim Start noch leicht kalt ist, dürfte es genau richtig sein.“ Wichtig sei, dass man nicht zu sehr schwitzt. Als erste Lage eigne sich Unterwäsche aus Kunstfasern oder Wolle, da sich Baumwolle mit Schweiß vollsaugt. Darüber schützen mehrere dünne Kleidungsschichten den Körper besser vor dem Auskühlen als ein dicker Pullover. Schutz vor dem Wetter bietet atmungsaktive Regenkleidung oder ein Windstopper.
Wenn man nur in der Stadt fährt, müsse man nicht jeden Winter in einem Outdoor-Laden viel Geld ausgeben, ergänzt Wilhelm Hörmann, Verkehrsreferent beim Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) in Bremen. Er rät dazu, sich im Laufe mehrerer Saisons an die passende Kleidung heranzutasten und herauszufinden, womit man am besten klarkommt.
Ganz wichtig: Jacke und Hose sollten möglichst hell sein. Denn an Wintertagen sind die dunklen Phasen lang, weshalb das Risiko besonders groß ist, von anderen Verkehrsteilnehmern übersehen zu werden. Davor schützen zusätzlich Reflektoren an der Kleidung. „Oft sind die in Radkleidung schon integriert“, erklärt Rainer Hauck vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). Zusätzlich Warnwesten aus dem Autozubehör überzuziehen, wie man es häufig bei Großstadtradlern sieht, hält er für eine gute Idee. „Gut sind auch reflektierende Anhänger an Rucksack oder Jacke. Dadurch, dass sich deren Winkel ständig ändert, fallen sie stärker auf als feststehende Reflektoren.“
Aus demselben Grund muss auch die Beleuchtung des Rads im Winter einwandfrei funktionieren. „Wer noch ein altes Licht hat, kann überlegen, auf LED-Technik und einen Nabendynamo umzurüsten“, sagt Hauck. „Oft bieten solche Anlagen eine Standlicht-Funktion.“ Weitere wichtige Punkte auf der Wartungsliste vor dem Winter-Einsatz sind, bewegliche Teile am Fahrrad zu ölen, freiliegende Bowdenzüge einzufetten und die Funktion der Bremsen zu kontrollieren.
„Viele Händler bieten einen Wintercheck für das Fahrrad an“, ergänzt Hauck. „Der kostet 40 bis 50 Euro, und man kann sicher sein, dass man gut gerüstet ist.“ Wer sein Fahrrad liebt, der sollte es außerdem regelmäßig von Schmutz und aggressiven Salzrückständen befreien, die Rahmen, Technik und Dichtungen angreifen. „Erst den groben Schmutz mit Lappen oder Bürste entfernen, dann das Rad mit einem feuchten Tuch abwischen und ölen, ölen, ölen“, sagt Hauck.
Und was tun, wenn es beim Fahren unter den Reifen glatt wird? „Geschwindigkeit gibt Sicherheit“, nennt Mountainbike-Profi Kabbani seine Regel, wenn es darum geht, im Gelände vereiste Passagen zu überwinden. Allerdings räumt er ein, dass das für den Stadtverkehr nicht zu empfehlen ist. Stattdessen rät er, vorausschauend zu fahren und beim Lenken keine ruckartigen Bewegungen zu machen. Harte Bremsungen sollten vermieden werden. Ist das in Gefahrensituationen nicht möglich, empfiehlt Lappland-Radler Hegler, die hintere Bremse zu verwenden. Der Grund: „Ein blockierendes Hinterrad lässt sich leichter wieder einfangen als ein Vorderrad.“
Wer wirklich bei jedem Wetter fahren will, kann über Spikereifen nachdenken. Außerdem gibt es wie für Autos spezielle Winterreifen mit weicher Gummimischung. Wer noch mehr tun will, kann den Sattel etwas absenken und den Reifendruck auf das Minimum reduzieren, das auf der Reifenflanke angegeben ist. So vergrößert sich die Auflagefläche und man erreicht im Notfall mit beiden Beinen gut den Boden.
Allerdings gibt es fürs Radeln im Winter Grenzen. „Überfrierende Nässe ist gefährlich, auch Tauwetter, wenn sich neues Eis auf altem bildet“, warnt Hegler. Die Sturzgefahr ist dann besonders groß, das Rad bleibt an solchen Tagen besser in der Garage. Ansonsten sollte sich niemand von winterlichen Fahrten abhalten lassen, sagt er - und hat noch einen Tipp parat, wie sich der Wärmehaushalt des Körpers steuern lässt: „In den Ohrläppchen enden viele Nervenstränge. Indem man sie abdeckt oder nicht, kann man den Wärmehaushalt regulieren.“