Infiniti Q30: Nobody für Jedermann
Berlin (dpa-infocom) - Wer zum ersten Mal in den neuen Infiniti Q30 einsteigt, der erlebt womöglich ein Déjà-Vu. Denn was der vornehme Nissan-Ableger jetzt zu Preisen ab 24 200 Euro als erstes Angebot für das Kompaktsegment zu den deutschen Händlern bringt, erinnert stark an die Mercedes A-Klasse.
Zu groß war offenbar der Druck, möglichst schnell Masse zu machen, und zu verlockend die Versuchung, dafür die Konzern-Kooperation zwischen Daimler und Renault-Nissan zu nutzen, als dass die Japaner ein eigenes Modell entwickeln wollten.
Spende aus Schwaben, eigenständiges Design
Zwar kommen einem Schalter und Instrumente bei der Erstbegegnung verdächtig bekannt vor. Und die Technik unter dem Blech ist weitgehend identisch. Doch haben die Japaner es trotzdem geschafft, dem Auto einen eigenen Charakter zu geben. Das beginnt bei Kleinigkeiten wie den bequemer aufgepolsterten Sitzen mit den aufwendiger inszenierten Lederbezügen, dem wieder auf den Mitteltunnel gerückten Wählhebel für die Automatik oder dem Infotainment-System, das im Gegensatz zu Mercedes auf einen Touchscreen setzt. Außerdem bindet es vier Kameras ein, mit denen man das Auto beim Rangieren aus der Vogelperspektive sehen kann.
Und es endet beim Karosserie-Design: Infiniti hat kein einziges Blechteil von Mercedes übernommen und die A-Klasse komplett neu eingekleidet. Natürlich sind die Proportionen ähnlich und mit ihnen die Platzverhältnisse vorne sitzt man deshalb ausgesprochen bequem, hinten allenfalls durchschnittlich und der Kofferraum fasst klassenübliche 368 Liter. Aber das 4,43 Meter lange Auto steht nicht nur höher über der Straße und wirkt insgesamt ein bisschen wie ein softer Geländewagen. Es trägt auch einen eigenen, sehr markanten Kühlergrill, hat stark konturierte Flanken mit einem auffälligen Zackenschnitt im hinteren Dachpfosten und ein steiler stehendes Heck.
Sportlich und sparsam
Für den Antrieb übernimmt Infiniti zunächst fünf Motoren aus dem Mercedes-Regel: Zwei Diesel mit 1,5 Litern Hubraum und 80 kW/109 PS oder 2,2 Litern Hubraum und 125 kW/170 PS. Außerdem gibt es zwei 1,5-Liter-Benziner mit 90 kW/122 PS oder 115 kW/156 PS und als Spitzenmodell einen 2,0-Liter-Turbo, der es auf 155 kW/211 PS bringt. Kombiniert mit spürbar beschleunigter Doppelkupplung und einem etwas sportlicheren Set-Up macht der Q30 vor allem mit dem Spitzen-Benziner eine ordentliche Figur .
Kultiviert, aber kraftvoll geht der Vierzylinder mit bis zu 350 Nm zu Werke, beschleunigt den Kompakten in bestenfalls in 7,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h und treibt ihn mit bis zu 235 km/h über die linke Spur. Und solange man dabei nicht über die Schulter schaut, fühlt man sich im ersten Infiniti für die Kompaktklasse nicht weniger gut aufgehoben als in einer großen Limousine. Nur beim Tanken sieht das anders aus. Schließlich braucht der Turbo nur 6,7 Liter (CO2-Ausstoß 156 g/km) und bei den Dieseln geht der Verbrauch herunter bis auf 3,9 Liter (103 g/km)
Enspanntes Fahren, viele Extras
Schon durch die höhere Sitzposition fühlt sich der Q30 damit etwas gelassener an als die A-Klasse. Weil die Japaner zudem das Fahrwerk sanfter abgestimmt haben, fährt man damit spürbar komfortabler, ohne dass der Spaß auf der Strecke bleibt. Für Kurvenjäger ist das Original die bessere Wahl. Doch wer dem Jugendwahn der A-Klasse nicht folgen will, bekommt von Infiniti das erwachsenere Auto.
Ein Hauch von Oberklasse - das gilt in weiten Teilen auch für die Ausstattung, selbst wenn die Liste der Optionen bei Mercedes deutlich länger ist. Doch alles wichtige baut auch Infiniti ein - von der Abstandsregelung bis hin zum Notbremsassistenten. Und mal ehrlich: Wer braucht schon mehr als vier verschiedene Felgen? Überhaupt ist der Blick in die Preisliste eine angenehme Überraschung: Zwar hat die A-Klasse mit einem schwächeren Motor den niedrigeren Einstiegspreis. Doch bei vergleichbaren Varianten liegen teilweise mehrere tausend Euro zwischen den ungleichen Geschwistern. Offenbar geht es eben doch nicht nur um das Modell, sondern auch um die Marke.
Fazit: Newcomer mit Niveau und guten Aussichten
Zugegeben, sie hatten eine gute Ausgangsbasis. Doch was Infiniti da als ersten Kompakten in der Geschichte der jungen Marke auf die Räder gestellt hat, kann sich durchaus sehen lassen. Und statt einfach den Mercedes zu kopieren, haben die Japaner ihrem Junior zumindest im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten einen relativ individuellen Charakter gegeben. So wird die Entscheidung zwischen A-Klasse und Q30 nicht nur zu einer Frage des Geldes und der Nähe zum Händler, sondern tatsächlich auch zu einer Frage des Geschmacks.
Datenblatt: InfinitiQ30 2.0i
Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke