Fahrbericht Nissan Micra: Kulturrevolution im Kleinwagen-Zirkus

Berlin (dpa-infocom) - Von wegen SUV-Schwemme. Mag sein, dass sich alle Welt nach einem Geländewagen sehnt. Doch dem Trend zum Trotz stellen die konventionellen Kleinwagen noch die große Mehrheit bei den Neuzulassungen in Europa.

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Nissan will sich davon mit dem neuen Micra einen größeren Anteil sichern.

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Die letzten Micra-Auflagen waren irgendwie halbherzig entwickelt und entsprechend erfolglos. Doch ab März treten die Japaner mit einem fast schon revolutionären Entwurf an - und mit entsprechend großen Hoffnungen. Dafür heben sie die Preise deutlich an - den Micra gibt es dann ab 12 990 Euro.

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Mit innerer Größe

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Der Kleinwagen zeichnet sich vor allem durch seine innere Größe aus. Das kann man wörtlich nehmen: Das Auto ist um acht Zentimeter in die Breite und um 17 Zentimeter in die Länge gegangen. Bei sieben Zentimetern mehr Radstand bietet er spürbar mehr Platz für Knie und Ellbogen. Außerdem hat der Kofferraum des 3,99 Meter langen Viertürers nun ein alltagstaugliches Format von 300 Litern.

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Oder man versteht es im übertragenen Sinne. Schließlich sind Ambiente und Ausstattung nun auf dem Niveau der Kompaktklasse. Die Materialien fühlen sich zumindest in den gehobenen Varianten fein und vornehm an, die Instrumente sind übersichtlich, und das Infotainment auf dem großen Touchscreen kann sich sehen lassen. Nicht umsonst ist der Micra der erste Kleinwagen, dem man beim Rangieren auf dem Bildschirm aus der Vogelperspektive sehen kann.

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Ausstattung auf dem Niveau der Kompaktklasse

Nachdem schon lauter Kameras an Bord sind, nutzt Nissan die auch noch für eine Notbremsfunktion mit Fußgängererkennung, liest damit die Verkehrszeichen, regelt das Fernlicht und erkennt, wenn die Elektronik gegensteuern muss, weil der Fahrer neben der Spur fährt. Außerdem gibt es ein aufwändiges Soundsystem mit einem Raumklang, wie man ihn sonst nur in der Oberklasse kennt.

Nissan hat beim Generationswechsel nicht nur das Format geändert, sondern auch die Form. War der letzte Micra noch ein glubschäugiger Langweiler, ist der Kleinwagen jetzt zum Charakter wie aus einem Manga geworden: Der Blick kommt stechend aus messerscharf geschnittenen Scheinwerfern, das Gesicht ist entschlossen, die Flanken sind stark modelliert, und am Heck zeigt der Micra eine klare Kante. Zwar haben sich die Designer gewaltig ausgetobt und sind mächtig stolz auf ihren Mut. Doch beanspruchen sie nicht die letzte Weisheit und lassen den Kunden viel Raum für individuellen Geschmack.

Buntes Design

Wie man es sonst eher von Modemodellen wie dem Mini, dem Fiat 500 oder dem Opel Adam kennt, bieten die Japaner deshalb neben zehn zum Teil ziemlich bunten Lacktönen und drei Farbwelten für das Interieur noch zahlreiche Designpakete für Karosserie, Konsolen und Polster an und kommen so auf über 120 Micra-Möglichkeiten.

So erwachsen der Micra auftritt, so bescheiden ist sein Antrieb. Fürs Erste gibt es den Kleinwagen nur mit Dreizylinder-Motoren. Im Basismodell arbeitet ein 1,0-Liter-Benziner mit 54 kW/73 PS, und es gibt einen 1,5-Liter-Diesel mit 66 kW/90 PS. Doch der mit Abstand wichtigste Motor wird ein 0,9 Liter großer Benziner, dem ein Turbolader 66 kW/90 PS und 140 Newtonmeter abringt.

Fahrspaß bleibt auf der Strecke

Der Motor knattert wie alle Dreizylinder und muss sich mehr anstrengen, als es zum souveränen Eindruck des Micra passt. Selbst dann dauert der Spurt von 0 auf 100 km/h quälend lange 12,1 Sekunden, bereits bei 175 km/h ist es mit dem Schwung schon wieder vorbei, und der Normverbrauch von 4,4 Litern (CO2-Ausstoß: 99 g/km) dürfte angesichts dieser Überforderung nicht annähernd zu schaffen sein. Fahrspaß jedenfalls will da so recht keiner aufkommen.

Dabei bietet der Micra mit seinem längeren Radstand, einer soliden Fahrwerksabstimmung und einer sehr feinfühligen Elektronik für Traktion und Stabilität eigentlich ganz gute Voraussetzungen. Aber wer weiß: Vielleicht ist unter den stärkeren Motorvarianten, die für die Zukunft versprochen sind, tatsächlich auch eine Power-Version des Haustuners Nismo. Ach ja: Und ein sechster Gang wäre auch nicht schlecht.

Fazit: Unter den Kleinen ein ganz Großer

Zwar lässt sich Nissan die Kulturrevolution unter den Kleinwagen teuer bezahlen und hebt die Preise mit dem Generationswechsel um rund 20 Prozent an. Doch erstens ist der Micra damit noch immer günstiger als deutsche Konkurrenten wie VW Polo, Ford Fiesta oder Opel Corsa. Und zweitens haben die Japaner auch einiges zu bieten. Denn mit seiner wegweisenden Ausstattung, seinem souveränen Ambiente und seinem selbstbewussten Auftritt ist der neue Micra unter den Kleinen ein ganz Großer.

Datenblatt: Nissan Micra 0.9 IG-T

Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke