„Von der Hausfrau bis zum Vorstand“ - Der VW-Golf wird 40
Wolfsburg (dpa) - Er drückte einer ganzen Modellklasse seinen Stempel auf, ist aber selber irgendwie klassenlos: Der VW Golf, das beliebteste Auto der Deutschen, wird 40. Er läuft und läuft und läuft - auch als ein Symbolprodukt der deutschen Automobilindustrie.
Papst Benedikt XVI. fuhr früher einen, Angela Merkel angeblich nach der Wende und Smudo von den Fantastischen Vier hat ihn gern als GTI. Der Volkswagen-Golf ist das Erfolgsmodell des Wolfsburger Autobauers, seit Jahren Neuzulassungskönig hierzulande - und er gab sogar einer ganzen Generation seinen Namen. Nun wird der Käfer-Nachfolger 40 Jahre alt, mehr als 30 Millionen Mal rollte er schon aus den Fabriken.
1974 hatte er Premiere, als Golf I. Im damaligen Prospekt beschrieben die Werbestrategen den Neuling mit den Worten: „Die Welt ist groß für dieses Auto, und wo sie eng ist, passt der Golf kompakt und wendig hinein.“ Das Jahr 1974 - da war die Mondlandung nicht lange her und der Heim-PC noch Zukunftsmusik. Für VW war 1974 ein Schicksals-Jahr, das 807 Millionen D-Mark Verlust einbringen sollte und fünf Prozent Rückgang bei der Belegschaft. Die Gründe: Absatzrückgang, Währungsschwankungen und vor allem steigende Kosten für Material und Personal. Der neue Hoffnungsträger Golf I war zum Erfolg verdammt.
Ihn gab es damals ab 7995 D-Mark (50 PS), Dreipunktgurte für vorne waren Serie. Als Extra wählbar war zum Beispiel ein „Stahlkurbeldach mit automatisch aufstellbarem Windabweiser“ für 423 D-Mark Aufpreis.
40 Jahre später startet der Golf VII bei 17 175 Euro. Der VW preist ihn gerne an als Galionsfigur seiner Schaffenskraft. Der Golf leiste gar die „Demokratisierung von Mobilität“. Und die Serienausstattung im Golf ist tatsächlich eine Messlatte der Branche. Schon der Golf VI hatte neun Airbags serienmäßig - so viele wie die Mercedes-E-Klasse.
„Der Golf ist ein Symbolprodukt für die deutsche Automobilindustrie insgesamt“, sagt Automobilwirtschaftsprofessor Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Die Baureihe sei wegen ihrer Klassenlosigkeit ein Phänomen. „Von der Hausfrau bis zum Vorstand, alle fahren ihn, das ist ein ganz breites Spektrum“, sagt Bratzel, dessen Institut auch regelmäßig Studien erstellt, die die Positionierung von Marken in Käuferschichten beleuchten. Beim Golf reiche die Interessentengruppe ungewöhnlicherweise quer durch alle Milieus. „Das halte ich für eine Riesenkunst“, sagt Bratzel.
Der Golf hat einer ganzen Klasse seinen Stempel aufgedrückt. Was das Kraftfahrtbundesamt Kompaktklasse nennt - quasi das Segment der Mini-Limousinen - heißt in der Branche ganz einfach Golfklasse. 244 249 Neuzulassungen hierzulande allein im Jahr 2013 sind 32,4 Prozent Anteil in dem Segment mit seinen rund 30 Konkurrenten. Kein anderes Auto ist nach Stückzahlen so erfolgreich.
In Wolfsburg, scherzhaft auch „Golfsburg“ genannt, sagen die VW-Leute liebevoll „Gölfe“, wenn sie die Mehrzahl meinen. Politikprofis outen sich ohne Zögern als Golf-Fans. Der Bestseller „Generation Golf“ von Autor Florian Illies verhalf sogar einer ganzen Kohorte zum Namen. David McAllister, CDU-Spitzenkandidat für die Europawahl und früher als Ministerpräsident VW-Aufsichtsrat, zählt als Jahrgang 1971 zu der Generation, die als Jugendliche im Westdeutschland der 1980er Jahre aufwuchs. „Ich bin Generation Golf, ich fahre Golf, ich will Golf.“ Dabei kennt er auch durchaus anderes, sein erstes Auto sei ein Opel Kadett gewesen.
Kritik an König Golf ist selten. Greenpeace geißelte Ende 2012 den Golf VII als unnötig klimaschädlich, er nutze nicht genügend Spritspartechnik. Doch man versöhnte sich, VW sprach im Frühling 2013 von einem „konstruktiven Dialog“ und Greenpeace lobte die Mühen des Konzerns für Umweltfreundlichkeit.
Und wohin fährt der Golf demnächst? Er mache einen sinkenden Teil des Gesamtabsatzes aus, sagt Experte Bratzel. VW besetze schließlich immer mehr Nischen mit mehr Modellen. Doch Leuchtturm dürfte der Golf lange bleiben. VW-Chef Martin Winterkorn sagte der dpa: „Ich persönlich kann mir Volkswagen ohne Golf nicht vorstellen.“
Kritik am Golf ist VW-intern ohnehin allenfalls erlaubt, um ihn noch besser zu machen. Ein VW-Manager aus Wolfsburg muss lange überlegen, ob der Golf eine Schattenseite habe. Antwort: Er sei nicht unbedingt der Renditesieger, der Tiguan bringe mehr ein. Doch selbst das ist irgendwie relativ - schließlich entsteht der Tiguan auf Golf-Basis.