Analyse: Machtpoker stürzt Hewlett-Packard ins Chaos
Palo Alto (dpa) - Beim Computergiganten Hewlett-Packard herrscht ein Führungschaos, das für einen Weltkonzern eigentlich unvorstellbar ist. Mitten drin und voll unter Beschuss: der aus Deutschland stammende Konzernchef Léo Apotheker.
„Tick, tick, tick, HP-Verwaltungsrat: Heute ist die Zeit zu handeln.“ Genüsslich lässt sich die bekannte US-Technologiebloggerin Kara Swisher am Donnerstag über das Chaos beim weltgrößten Computer-Hersteller Hewlett-Packard aus. Sie selbst hatte die Machtspiele, die hinter den Kulissen stattfinden, am Vortag herausposaunt. Damit hat sie möglicherweise den Countdown für den Rauswurf des aus Deutschland stammenden Konzernchefs Léo Apotheker gestartet. Doch was kommt dann?
Gerade einmal vor einem Monat hatte Apotheker einen radikalen Strategiewechsel angekündigt. Das scheint aber nicht jedermann im Unternehmen zu passen, Apotheker soll deshalb nun die Ablösung drohen. Das entscheidende Gremium, der Verwaltungsrat, fährt einen Schlingerkurs: Apothekers Vision mit der geplanten Trennung vom wichtigen PC-Geschäft und dem Schwenk in Richtung Software wurde von den Aufsehern mitgetragen. Nach dem Kurssturz, das dann an der Börse folgte, scheinen einige aber kalte Füße bekommen zu haben.
Besonders faszinierend an dem Ganzen: Vor gut einem Jahr noch galt Hewlett-Packard als Musterbeispiel dafür, wie man einen IT-Riesen durch eine Wirtschaftskrise bringen kann. Apothekers Vorgänger Mark Hurd baute das lukrative Geschäft mit Dienstleistungen aus, sorgte mit einem rigiden Sparkurs für schwarze Zahlen und hielt HP stabil auf Platz eins der PC-Weltrangliste. Doch eine Affäre mit einer externen Mitarbeiterin wurde dem Management-Star zum Verhängnis.
Bereits damals agierte der Verwaltungsrat wenig glücklich. Nur nach und nach sickerten die Gründe für Hurds Rauswurf durch, und so mancher Beobachter fragte sich am Ende: Soll man einen Manager, der so viel fürs Unternehmen getan hat, wegen einer solchen „Lappalie“ feuern? Schon damals ging der Kurs in die Knie - bis heute hat das Unternehmen rund die Hälfte seines Werts verloren. Das sind Dutzende Milliarden Dollar, die verpufft sind. Denn Hurd war angesichts der Milliarden-Gewinne beliebt bei den Anlegern.
Als die Verwaltungsräte dann den ehemaligen SAP-Chef Apotheker als Nachfolger aus dem Hut zauberten, war die Überraschung groß. Zum einen ist der Deutsche durch und durch ein Software-Experte - neue Akzente beim Gemischtwarenladen HP waren damit eigentlich schon programmiert. Zum anderen war sein Abgang bei Europas größtem Softwarekonzern SAP alles andere als ruhmreich. Die SAP-Gründer, die ihn letztlich herausdrängten, deuteten ziemlich unmissverständlich an, dass Apotheker Kunden und Mitarbeiter brüskiert habe.
Die Geschichte wiederholt sich nun: In US-Medien ist von einem Zerwürfnis zwischen Apotheker und dem Verwaltungsrats-Sprecher Ray Lane die Rede. Der Deutsche gilt als schwieriger Charakter, SAP-Mitarbeiter sagen ihm einen schroffen Führungsstil nach. Die Amerikaner hätten also wissen müssen, wen sie sich da ins Haus holen.
Für den scharfzüngigen Chef des Konkurrenten Oracle, Larry Ellison, sind die HP-Verwaltungsräte schlicht „Idioten“. So beschimpfte er sie vor einem Jahr, als sie seinen Freund Hurd feuerten. Auch gemäßigtere Beobachter verweisen gern darauf, dass der HP-Verwaltungsrat sich über Jahre als eine verlässliche Quelle der Unsicherheit erwiesen habe. Für einen Ausbund an negativen Schlagzeilen sorgte vor mehreren Jahren zum Beispiel die tollpatschige Fahndung nach einer undichten Stelle im Verwaltungsrat, bei der Privatdetektive Mülleimer von Journalisten durchwühlt und sich auf halbseidenen Wegen deren Telefon-Rechnungen besorgt haben sollen.
Mit Apotheker würde bereits der dritte Konzernchef in sechs Jahren gehen. Die Frage, wie es dann bei HP weitergeht, wäre damit aber immer noch nicht beantwortet.