Abhängen und Kreise ziehen: Tipps für Google+
Berlin (dpa/tmn) - Facebook, der unangefochtene König der Online-Netzwerke, bekommt einen Herausforderer: Der Internet-Gigant Google öffnete sein Konkurrenzangebot Google+ für die breite Öffentlichkeit.
Bei einigen Ähnlichkeiten gibt es zwischen den Diensten auch Unterschiede.
Google will das Netzwerken im Web persönlicher machen: Der Internet-Riese hat seinem Facebook-Konkurrenten Google+ einen Video-Chat spendiert, mit dem mehrere Leute gleichzeitig einen Schwatz halten können. Auch sonst ist dem Internet-Riesen viel gelungen, das neue Online-Netzwerk wirkt aufgeräumt und durchdacht. Die spannende Frage lautet nur: Sind die Freunde und Kollegen schon dort - oder bleiben die eigenen Kreise noch leer?
Die wichtigste Funktion ist wie bei Facebook eine Art Ticker, in dem Neuigkeiten von den eigenen Kontakten einlaufen - Google nennt dieses Element „Stream“ und stellt es mit einer aufgeräumten Optik in die Mitte des Bildschirms. Ob Fotos, Videos, Links oder Kommentare: Wer will, kann unter den Beiträgen Kommentare hinterlassen oder den „+1“-Knopf drücken - das Pendant zum „Gefällt mir“-Button von Facebook. In Nu entsteht ein Pausenschnack oder eine ernsthafte Diskussion.
Bei Facebook ging das in der Vergangenheit nicht selten durcheinander - wer den Empfängerkreis zweideutiger Partyfotos nicht einschränkte, musste befürchten, dass es alle Welt mitbekommt. Dieses Problem will Google lösen, indem Mitglieder genau einstellen können, wer ihre Kommentare sieht. Andere Nutzer werden nicht pauschal Freunde, man muss sie „Kreisen“ hinzufügen, zum Beispiel für die Familie oder Bekannte. Oder für Freunde - aber damit sind die echten Freunde gemeint. Die andere Person sieht übrigens nicht, in welchen Kreisen sie steckt.
Jedes Mal, wenn sich Nutzer über Google+ mitteilen, legen sie fest, welche Kreise ihre Nachricht ziehen soll. Sie kann sich auf die Familie oder die Tennismannschaft beschränken, aber auch öffentlich sein - ähnlich wie in einem Blog. Ein angenehmer Nebeneffekt dieser Einteilung: Die Neuigkeiten der eigenen Kontakte lassen sich damit einfach und schnell filtern. Inzwischen geht all das übrigens auch bei Facebook - der Wettbewerb der Netzwerk-Riesen zeigt Wirkung.
Gegenseitig bestätigen müssen sich Nutzer von Google+ übrigens nicht - wie beim Kurzmeldungsdienst Twitter „folgt“ man einfach den Personen, die man für interessant hält.
Ein eigenes Postfach oder ein Fotoalbum hat Google+ nicht, das Unternehmen bindet etablierte Dienste wie Googlemail und Picasa ein. Wer seine elektronische Post schon mit dem Internet-Riesen abwickelt, erspart sich ein weiteres System. Das Kalkül dahinter dürfte aber ein anderes sein: Der Internet-Riese hofft, dass die vielen Nutzer beim Sozialen Netzwerk reinschauen - und dort bleiben.
Was auffällt: Google hat an allen Ecken und Enden nützliche Kontrolloptionen eingebaut. Um einen Beitrag zu löschen oder die Diskussion darunter zu sperren, um eine Person zu blockieren oder Missbrauch zu melden. Auch die Datenschutz-Einstellungen sind leicht zu erreichen und übersichtlich gestaltet. Dort lässt sich etwa nachvollziehen, wie andere Mitglieder das jeweilige Profil sehen - ein praktischer Check, der peinliche Enthüllungen vermeiden kann.
Punkten will Google auch mit technischen Feinheiten, vor allem Hangouts: Damit können mehrere Nutzer Videotelefonate führen - eine Funktion, mit der Facebook nicht aufwarten kann und die bei Skype Geld kostet. Alles was man braucht, ist ein PC mit Webcam und stabiler Internetverbindung.
Zum offiziellen Start hat Google nachgelegt: Auch mit einem Android-Smartphone können sich Nutzer nun einwählen und mit Freunden bei Hangouts abhängen, mit iPhone und iPad soll das ebenfalls bald möglich sein. Mitteilungsbedürftige Netzwerker können über die Videofunktion gar Videos live ins Netz senden. Google+ als eigenes Web-TV.
Damit nicht genug. Bald soll Hangouts die Zusammenarbeit mehrerer Nutzer erleichtern. Google testet die Möglichkeit, über die Funktion Fotos zu zeigen oder in der Google-eigenen Bürosoftware einen Text zu verfassen. Schon jetzt kann man gemeinsam YouTube-Videos ansehen.
Als Spielkonsole eignet sich Google+ dagegen nur bedingt. Bisher stehen erst 16 Titel auf der Plattform, Blockbuster wie „Cityville“ oder „Farmville“, die bei Facebook Millionen von Fans haben, fehlen. Immerhin konnte Google den deutschen Entwickler Wooga gewinnen, der mit „Monster World“ und „Happy Hospital“ Erfolge feiert. Auch mit dem Actionspiel „Angry Birds“ lässt sich manche Mittagspause überbrücken.
Ob Google+ auf Dauer Spaß macht, hängt aber von einer Frage ab: Kommen die eigenen Freunde und Kollegen dorthin - oder bleiben sie bei Facebook, Xing oder anderswo? Mit mehr als 20 Millionen Nutzern in Deutschland ist der Marktführer fast ein Einwohnermeldeamt. Zu Google+ gibt es zwar keine offiziellen Zahlen, aber bislang dürfte sich vor allem die digitale Avantgarde tummeln.