Ausspähskandal: Facebook-Datenschützerin kämpft um Nutzervertrauen
Berlin (dpa) - Viele Deutschen sind ohnehin skeptisch gegenüber dem blauen Netzwerk aus den USA - dann tauchte Facebook in der Liste der vermeintlichen Kooperationspartner des US-Geheimdienstes auf. Das Netzwerk bemüht sich um Aufklärung.
Nach gut 20 Minuten kommt die entscheidende Frage an Facebooks Datenschutzbeauftragte Erin Egan. Viele Mitglieder seien besorgt über Berichte über umfassende Weitergabe von Nutzerdaten an Geheimdienste, sagt die freundliche Moderatorin an Facebooks Europasitz in Dublin. Könne es denn wirklich sein, dass Facebook bei Programmen wie Prism nicht mitmache, wie das Soziale Netzwerk seit Wochen standhaft behauptet?
Für Facebook hängt einiges von der Antwort ab. Denn um sein rasantes Wachstum fortzusetzen, braucht das Netzwerk das Vertrauen der Nutzer. Sie müssen sich frei in ihrem Online-Freundeskreis bewegen können. Deswegen hat Egan dafür gesorgt, dass die Mitglieder Verlinkungen von Fotos mit ihrem Profil einfacher löschen oder Einträge im Nachhinein doch nur dem eigenen Freundeskreis zugänglich machen können. Sie und ihre Mitarbeiter begutachten jede neue Funktion, die die Programmierer sich ausdenken - und zeigen schon einmal Grenzen auf. Doch das hilft wenig, wenn Nutzer das Gefühl haben, der US-Geheimdienst NSA könne ihnen über die Schulter schauen.
Entsprechend nachdrücklich antwortet Egan in der Fragestunde im Netz. „Wir erlauben keinen direkten Zugriff auf unsere Server und wir kommen keinen Massenanfragen nach Daten nach.“ Facebook leiste aggressiven Widerstand, wenn das Netzwerk der Meinung ist, Anfragen von Regierungsstellen und Strafverfolgern seien zu umfassend. Sie verweist auf Zahlen, die Facebook nach eigenem Drängen auf die US-Regierung veröffentlichen durfte.
Egan wiederholt geduldig die Aussagen von Mark Zuckerberg und anderen Facebook-Managern: 18 000 bis 19 000 Nutzerprofile seien von Regierungsanfragen aller Art betroffen gewesen, von Anforderungen des lokalen Sheriffs bis zu Fragen der Geheimdienste. Ein verschwindend geringer Anteil von Facebooks 1,5 Milliarden Mitgliedern. Das ist ein ganz anderes Bild als das des unbeschränkten Zugangs für die Schlapphüte, von dem Ex-Geheimdienstmitarbeiter Snowden berichtete. Allerdings darf Facebook über Details nicht berichten, denn strenge US-Gesetze zur Geheimhaltung sprechen dagegen.
Auf die Nutzerzahlen hat die Spähaffäre bisher keine Auswirkungen - im Gegenteil. Facebook hat so viele Mitglieder wie nie zuvor. 1,5 Milliarden Menschen sind jeden Monat dem Sozialen Netzwerk unterwegs. Fast 700 Millionen Menschen schauen täglich vorbei, teilte das Unternehmen mit den jüngsten Quartalszahlen mit. Auch das Geschäft läuft gut: Facebook polierte seine App für Smartphones auf und erzielt inzwischen 41 Prozent seiner Werbeeinnahmen auf Handys und Tablets. Die Quartalszahlen versetzen die Börsenhändler in einen regelrechten Glückstaumel, die einst gebeutelte Facebook-Aktie schoss um ein Viertel auf gut 33 Dollar in die Höhe.
Doch ganz ungeschunden kommt Facebook möglicherweise nicht aus dem Skandal heraus. Laut einer Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom hat das Vertrauen der Nutzer in die Datensicherheit einen Dämpfer bekommen. Zwei Drittel der befragten Internetnutzer gaben an, dass ihre Daten im Netz eher oder völlig unsicher seien. Das Vertrauen in die Internetwirtschaft, bei einer ähnlichen Umfrage vor zwei Jahren schon eher mäßig ausgeprägt, sackte ebenfalls ab. Die Mehrheit der Internetnutzer (55 Prozent) hat demnach wenig bis gar kein Vertrauen in die Unternehmen. Starkes oder sehr starkes Vertrauen haben 34 Prozent. Ähnlich ungünstig sieht es beim Vertrauen in staatliche Stellen aus.
Einige Befragte gaben sogar an, künftig auf eine Mitgliedschaft in Sozialen Netzwerken verzichten zu wollen. Nun müssen solchen Absichtserklärungen in Umfragen nicht immer Taten folgen. Doch Grund zur Sorge ist es allemal. Die IT-Branche fordert auch deswegen schnelle Aufklärung von der Regierung. Die Unternehmen fürchten, dass Nutzer sonst skeptischer gegenüber Online-Diensten werden - und den Angeboten der Unternehmen möglicherweise den Rücken kehren.