Biografie gibt Steve Jobs ein menschliches Gesicht
Berlin (dpa) - Wer war Steve Jobs? Als Vater von iPhone, iPad & Co. ist der kürzlich verstorbene Apple-Gründer hinreichend bekannt. Aber wie war der Mensch dahinter? Wie kamen die Puzzle-Teile zusammen, die aus dem schüchternen Adoptivkind einen dominanten und bewunderten Technik-Visionär machten?
Die Antwort steht ab Donnerstag in den Regalen deutscher Buchläden. „Steve Jobs“ soll die ultimative Biografie des Genies hinter Apple werden, Denkmal und ehrliches Porträt zugleich. Jobs selbst gab für das mehr als 600 Seiten starke Buch rund 40 Interviews, ebenso wie unzählige Menschen zu Wort kommen, die er auf seinem Lebensweg traf - und oft auch verletzte.
Jobs' Biograf Walter Isaacson, ein früherer „Time“-Chefredakteur und CNN-Boss, hatte zuvor bereits das Leben großer Figuren wie Albert Einstein, Benjamin Franklin und Henry Kissinger seziert. Er glaubt, die Antwort auf das Rätsel Steve Jobs in dessen Kindheit gefunden zu haben. Als sechs- oder siebenjähriger habe er einem Mädchen aus der Nachbarschaft erzählt, dass er adoptiert worden sei, erinnerte sich Jobs. „Also wollten deine Eltern dich nicht?“, fragte sie etwas unwirsch.
Weinend rannte er ins Haus und seine Adoptiveltern versicherten ihm, sie hätten ihn selbst ausgewählt, weil er etwas Besonderes sei. „Verlassen. Ausgewählt. Besonders.“ In diesem Dreiklang fand Isaacson das Leitmotiv von Jobs' Leben, das ihn daran glauben ließ, die Welt verändern zu können - und vielleicht seinen Tod beschleunigte. Denn Jobs glaubte zunächst, er könnte sogar den Krebs allein mit Naturheilmitteln und Akupunktur besiegen.
Der Erfolg brachte Apple schließlich etliche Milliarden Dollar, doch das Buch lässt keinen Zweifel daran, dass Steve Jobs vor allem von einer Besessenheit für Perfektion angetrieben wurde. Das sorgte für elegante Produkte, trieb aber Leute, die ihn umgaben, regelmäßig zur Weißglut. Ende der 90er, als Apple noch am Abgrund stand, machte er eine Szene und sagte beinahe die Vorstellung des ersten iMac ab, weil dieser ein CD-Laufwerk mit ausfahrbarer Schublade statt eines Einschub-Slots hatte. Beim iPhone wurde in letzter Minute noch der Rahmen verändert.
Eine Episode aus 2009, als Jobs beinahe an den Komplikationen seiner Leber-Transplantation gestorben war - seine Kinder standen schon am Krankenbett für den Fall, dass sie Abschied nehmen müssen - treibt das ganze auf die Spitze. Da weigert sich Jobs, nur halb bei Bewusstsein, eine Atemmaske anzulegen, weil ihm das Design missfällt. Und schlägt den Ärzten sogleich vor, drei neue Modelle zu entwerfen.
Das Buch verrät erstmals, wie schlimm die letzten Jahre von Jobs waren. Der Tumor in der Bauchspeicheldrüse war zwar 2004 entfernt worden, doch der Krebs hatte sich auf benachbarte Organe ausgebreitet. Jobs' Körper war ein Kriegsschauplatz und die Krankheit gewann die Oberhand. Er hatte starke Schmerzen, verlor den Appetit, seine lebenslange Essstörung tat das übrige: Jobs magerte immer weiter ab und wurde immer schwächer.
Als Isaacson ihn im August besuchte, um Bilder für das Buch auszuwählen, hatte er keine Kraft mehr, um die wenigen Schritte vom Sofa zu einem Schrank zu schaffen. Er war kein standhafter Patient, und das Bewusstsein der eigenen Ohnmacht gegenüber dem Krebs machte ihn oft gereizt und deprimiert.
So wie Jobs kein einfacher Patient war, konnte er auch ein unerträglicher Chef sein. Aufbrausend, undiplomatisch, sogar gemein. „Ich habe schnell gelernt, dass er einen niedermäht, wenn man nicht zu seiner Meinung steht“, sagte Tim Cook, der Manager, dem er schließlich sein Lebenswerk als nächstem Apple-Chef in die Hand legte. „So bin ich eben“, sagt Jobs immer wieder zu der Kritik. Zugleich bewunderten Kollegen und Geschäftspartner ihn dafür, blitzschnell das Potenzial hinter einer Idee erkennen zu können und Menschen zu Höchstleistungen zu bringen.
Jobs selbst wusste, dass er schwierig im täglichen Umgang ist. Er bewundere seine Frau Laurene, weil das Leben mit ihm kein „Korb mit Kirschen“ sei, sagte er einmal. Auch viele, die ihm nahestanden, kamen mit seiner Art nicht klar: Er konnte charmant und aufmerksam an einem Tag sein und kalt und abweisend am nächsten. Apple war sein Leben. Selbst am Ende, als er versuchte, möglichst viel Zeit mit seiner Familie zu verbringen, ließen ihn seine Arbeit und seine Dämonen nicht los. Zugleich zeigt das Buch einen zutiefst menschlichen Jobs, dem Tränen die Wangen herunterkullern, als er sich an eine frühere Geliebte oder sein 20. Hochzeitsjubiläum erinnert.
Dennoch wirkte Jobs auf viele arrogant und kaltherzig. Was ihm nicht passte, blendete er aus, so wie den Krebs oder die Schwangerschaft seiner Freundin, als er 23 war. Jahre später versuchte er, eine Beziehung zu seiner anfangs verleugneten Tochter Lisa aufzubauen, es lief jedoch bis zum Schluss eher holprig. Er wünschte, er wäre mit der Situation damals besser umgegangen, gestand Jobs Isaacson ein.
Wenn Jobs etwas Wichtiges besprechen wollte, nahm er Leute auf lange Spaziergänge mit. Er entwickelte eine Männerfreundschaft mit Oracle-Chef Larry Ellison, der eine Zeit lang sogar Apple kaufen wollte, damit der 1985 geschasste Jobs sein Unternehmen wiederbekommen könnte.
Einige Geschichten über die dunkle Seite von Jobs, wie zum Beispiel die Frage, ob Jobs seinen Freund Steve Wozniak in jungen Jahren tatsächlich bei der Aufteilung eines Honorars übers Ohr gehauen hat, bleiben unaufgeklärt. Das Buch ist aber gesäumt von kleinen Anekdoten, die das Gefühl geben, einen außergewöhnlichen Blick hinter die Kulissen des Silicon Valley werfen zu dürfen.