Computerspielbranche will Frauen ansprechen

Berlin (dpa) - Jung, männlich, lichtscheu? Für viele Hersteller von Computerspielen sieht die wichtigste Zielgruppe bald wohl anders aus als im Klischee des Hardcore-Zockers.

„Frauen über 18 sind in den USA eine wichtigere Zielgruppe als Jungs unter 17“, sagte der Chef des deutschen Spieleherstellers Bigpoint, Heiko Hubertz, am Montag bei den Deutschen Gamestagen in Berlin. Auf der Tagung diskutieren Spieleexperten bis zum 4. Mai über die Trends der Branche.

Zum Auftakt loteten Politik und Industrie die Bedeutung der Branche aus. Sie habe „riesige Wachstumschancen“, sagte Richard Meng, Staatssekretär und Sprecher des Berliner Senats. Daher gebe die Hauptstadt ihrer Wirtschaftsförderung „volle Rückendeckung“, sich hier weiter zu engagieren. Gerade bei den Browserspielen, die derzeit kräftig wachsen, seien deutsche Entwickler vorne dabei, lobte Wirtschaftsförderer Elmar Giglinger.

Trotz dieser Anerkennung kritisierten Unternehmensvertreter die deutsche Politik. Man habe die Spiele-Industrie in den 90er Jahren in die Schmuddelecke abgeschoben und den Trend verschlafen, klagte der Chef des Herstellers Innogames, Gerhard Florin.

Er führte das Standort-Argument gegen strenge Gesetze ins Feld: Wenn ein Hersteller den in Deutschland als besonders rigoros geltenden Jugendschutz umgehen wolle, gehe er in ein anderes Land. „Allerdings muss ich auch meine Talente dorthin mitnehmen, das ist schlecht für den Standort.“ Sein Fazit: „Lieber gar keine Regulierung als falsche Regulierung.“

Birgit Roth vom Entwicklerverband Game kritisierte, dass die Branche mit dem Scheitern des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) Ende 2010 weiter auf verbindliche Regeln warten müsse - etwa für die Alterskennzeichnung von Online-Spielen.

Die Bundestagsabgeordneten Tabea Rößner (Grüne) und Peter Tauber (CDU) räumten ein, dass mancher Politiker sich zu Wort melde, obwohl er wenig Ahnung habe. Die Situation verbessere sich aber mit der neuen Generation von Politikern. Immer mehr Volksvertreter hätten jedoch selbst Kinder, die spielten - und brächten daher auch mehr Verständnis für das Phänomen Computerspiele auf.

Um künftig Erfolg zu haben, müssten die deutschen Hersteller neue Plattformen besetzen, sagte Bigpoint-Chef Heikok Hubertz. Als Wachstumsmärkte sieht er zum einen sogenannte Social Games, die an Soziale Netzwerke wie Facebook, StudiVZ oder Xing andocken. Weltweit seien mehr als zehn Milliarden Nutzerkonten bei den vielen Anbietern registriert.

Zum anderen müssten Entwickler Spiele für Smartphones und Tablet-Computer programmieren: „Der spannendste Markt ist der mobile Markt“ - gerade um auch an die Frauen heranzukommen. Als herausragende Plattformen nannte er iOS von Apple und das unter der Führung von Google entwickelte Android.

Hubertz verbringt momentan die meiste Zeit in San Francisco, um das US-Geschäft seiner Firma auszubauen. Im Silicon Valley zeichne sich eine starke Verschiebung von klassischen Konsolenspielen hin zu Online-Spielen ab. Zahlreiche Programmierer wechselten die Seiten, und ein Uni-Absolvent könne heute in diesem Bereich 125 000 Dollar Jahresgehalt oder mehr verdienen.