Studie: Kinderpornografie meist aus Tauschbörsen
Berlin (dpa) - Kinderpornografie wird einer aktuellen Studie zufolge vor allem über Internet-Tauschbörsen vertrieben. Die größte Rolle spielten kostenlose „Peer-to-Peer-Netzwerke“, sagte der Direktor des Kriminalwissenschaftlichen Instituts der Leibniz Universität Hannover, Bernd-Dieter Meier.
In solchen Netzen tauschen die Nutzer Dateien untereinander aus, ohne dass diese auf einem zentralen Server liegen. Es gebe „einen illegalen Markt ohne echte Preisbildung“, sagte Meier. Durch die Tauschbörsen würden die Teilnehmer später häufig auch zu Anbietern. „Ein digitales Kinderpornobild lässt sich leider beliebig oft kopieren“, erklärte der Forscher. Neues kinderpornografisches Material breite sich daher mit Hilfe der Tauschbörsen im Netz aus. Für die Untersuchung wurden im vergangenen Jahr systematisch Strafakten von 2008 ausgewertet und Experteninterviews geführt.
In fast der Hälfte aller untersuchten Fälle (47,3 Prozent) stamme das Material aus kostenlosen Tauschbörsen, in 27,0 Prozent aus dem Web, wo es etwas koste, erläuterte Meier. Gerade „Einsteiger“ tendierten dazu, kostenpflichtige Angebote im Internet zu nutzen. „Sie wissen nicht, welche Alternativen es gibt.“ Um eine Tauschbörse zu finden, müsse jemand schon gezielt suchen, sagte Meier.
Die meisten neuen Bilder und Filme werden dem Wissenschaftler zufolge zunächst vermutlich über geschlossene Benutzergruppen verbreitet, aus denen 1,4 Prozent des insgesamt ausgewerteten Materials stammte. Der Rest von 24,3 Prozent kam aus anderen Quellen wie E-Mails.
Wer in die geschlossenen Benutzergruppen gelangen wolle, müsse erst selbst kinderpornografisches Material hochladen, sagte Meier. Der Zugang für Strafverfolger sei hier schwierig. Hinein dürfe nur, wer persönlich bekannt sei, Kinderpornografie oder Geld liefere. Nach derzeitiger Rechtslage könnten verdeckte Ermittler in geschlossenen Benutzergruppen nur eingeschränkt tätig werden.
Nach langen Diskussionen hat der Koalitionsausschuss von Union und FDP im April entschieden, Kinderpornos im Netz nicht zu sperren, sondern sie zu löschen. Das Löschen könne aber nur ein Teil der Strategie sein, sagte der niedersächsische Innenminister und Vorsitzende des Bündnisses gegen Kinderpornografie „White IT“, Uwe Schünemann (CDU).
Er forderte, verdeckte Ermittler künftig auch dort einsetzen zu können, wo es um Straftaten des sexuellen Kindesmissbrauchs sowie um Herstellung und Verbreitung von Kinderpornografie gehe. Dafür müsse die Strafprozessordnung erweitert werden, sagte Schünemann. Mit Blick auf geschlossene Benutzergruppen erklärte er: „Wir sind in diesem besonders abgeschotteten, hoch kriminellen Bereich größtenteils blind.“
Die Initiative „White IT“ des niedersächsischen Innenministeriums will eine „ganzheitliche Strategie“ zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet entwickeln. Einbezogen werden sollen vorhandene Maßnahmen und Kooperationen von Staat, Wirtschaft und Wissenschaft. Die jetzt vorgestellte Studie gebe erstmals wissenschaftlich aufgearbeitet nähere Einblicke in Herstellung und Vertrieb von Kinderpornografie über das Internet, sagte Schünemann.