Datenschutz: Stiftung statt „digitalem Radiergummi“
Berlin (dpa) - Die Stiftung Datenschutz nimmt Konturen an - doch ansonsten hinkt der Gesetzgeber der rasanten technischen Entwicklung hinterher.
Teile der aktuellen Regeln zum Schutz von Nutzer-Daten im Internet stammen aus einer Zeit, als das Web noch nicht erfunden war und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg noch zur Schule ging.
Über die Herausforderungen diskutierten Politiker, Wirtschaft und Datenschützer am Dienstag auf einem Kongress des Verbandes der Internetwirtschaft eco und der Zeitschrift „Multimedia Recht“ (MMR) in Berlin.
Der heiß diskutierte Google-Straßenatlas Street View sei trotz der großen Schlagzeilen bei der Einführung nicht der „sensibelste Dienst“, sagte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Er hält andere Fragen für wichtiger: Sind die Daten beim Cloud Computing sicher - also wenn sie beispielsweise ihre Dokumente auf einer Online-Festplatte speichern? Wie kann man dafür sorgen, dass die Verbraucher über das intelligente Stromnetz nicht ausspioniert werden? Eine vollständige Kontrolle über personenbezogenen Daten sei in der vernetzten Gesellschaft nicht zu erreichen, betonte Schaar - aber trotzdem ein Ziel.
„Das Recht folgt neuen Techniken“, sagte Prof. Jürgen Taeger von der Universität Oldenburg. Allerdings lasse sich der Gesetzgeber oft viel Zeit und warte auf Gerichtsurteile und Selbstverpflichtungen der Wirtschaft - wie im vergangenen Jahr bei Street View. Ob und wie er reagiere, hänge außerdem von „Machtkämpfen um das richtige Recht“ ab. Nicht immer komme dabei ein gutes Ergebnis heraus - als Beispiel nannte er das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, das vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert war.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung will den Datenschutz mit der Stiftung Datenschutz stärken. Dieses Jahr sind dafür 10 Millionen Euro im Haushalt eingeplant. „Wir sind jetzt dabei, eine Satzung zu erarbeiten“, sagte Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP). Wichtig sei, das die Stiftung so zu gestalten, „dass an der Unabhängigkeit kein Zweifel besteht“.
Die privatrechtlich organisierte Stiftung soll dort ansetzen, wo das Gesetz nicht weiterhilft. Dazu zählte die Politikerin zum einen die Förderung von Medienkompetenz, zum anderen die Zertifizierung von Unternehmen. Diese könnten mit dem Datenschutz-Siegel werben: „Wir halten uns nicht nur ans Gesetz, sondern haben uns einem besonders hohen Datenschutz unterworfen.“ Der Wettbewerb könne so für ein hohes Datenschutzniveau sorgen, sagte die Liberale.
Einen „digitalen Radiergummi“ zur Löschung persönlicher Daten im Internet, wie ihn die Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) propagiert, werde die Stiftung aber nicht bieten können, sagte die FDP-Politikerin. Ob so eine Technik funktioniere, sei ohnehin umstritten. Wann die Stiftung ihre Arbeit aufnimmt, sagte die Ministerin nicht. Erst nach einem Kabinettsbeschluss könne man mit der Umsetzung beginnen - und die Planung obliege nicht ihrem Ressort, sondern dem Innenministerium.
Doch wie in vielen anderen Ressorts gilt auch beim Datenschutz: Ohne Brüssel geht nichts. Die Europäische Kommission erarbeitet derzeit einen Vorschlag zur Reform des europäischen Datenschutzrechts. Die derzeit gültige Richtlinie stammt aus dem Jahr 1995, Jahre bevor das Internet die Welt umwälzte.
Eine Angleichung nach unten müssten die datenschutzbewussten Deutschen nicht befürchten, sagte Martin Selmayr, Kabinettschef von Justizkommissarin Viviane Reding. Seine Chefin sei vom „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ überzeugt. Zudem habe sich das „hohe deutsche Niveau“ im Vertrag von Lissabon niedergeschlagen, der als rechtliche Grundlage der EU seine Wirkung entfalte.
Im Sommer soll der Entwurf vorliegen. Die Umsetzung dürfte aber mindestens zwei Jahre dauern, möglicherweise noch länger - je nachdem, ob die Kommission eine eindeutige Verordnung beschließt oder eine Richtlinie verabschiedet, die die Mitgliedstaaten noch in nationales Recht gießen müssen.