Entschleunigung am Auslöser: Zurück zur Analogfotografie
Frankfurt/Main (dpa/tmn) — Neugierde auf alte Technik, Retro-Schick als Lifestyle-Faktor oder die Lust auf bewusstes Fotografieren. Die Gründe dafür, dass sich Analogfotografie in den letzten Jahren wieder wachsender Beliebtheit erfreut, sind vielfältig.
Wer auf den Zug aufspringt, sucht oft einen Gegenpol zu den schnell geknipsten und teils beliebigen Digitalfotos. „Insbesondere junge Menschen schnuppern in die Analogtechnik hinein, schnappen sich die Analogkameras ihrer Eltern und fotografieren damit“, berichtet Constanze Clauß vom Photoindustrie-Verband. „Neben der Entschleunigung, den Unikaten und dem bewussteren Fotografieren fasziniert sie der Spannungsbogen.“ Man muss auf die Abzüge warten — und für viele ist es ein Erlebnis, wenn man den entwickelten Film abholt oder ihn sogar selbst entwickelt. Zudem erscheinen auch wieder viele neue Bücher rund um Analogfotografie.
„Die Analogfotografie ist immer dann sinnvoll, wenn man wirklich Lust darauf hat“, sagt Peter Nonhoff-Arps vom Fachmagazin „c't Fotografie“. „Denn sie ist deutlich zeitaufwendiger als digitale Fotografie.“ Bevor man Geld in eine Analogkamera investiert, kann man den Umgang mit einem Gerät Marke Eigenbau testen: „Wer ganz günstig anfangen will, kann sich den Bausatz für eine zweiäugige Spiegelreflexkamera im Online-Handel für rund 20 Euro besorgen und selbst zusammenbauen“, erklärt der Experte. Ein Kleinbildfilm wird noch eingelegt, und schon geht es los. „Dabei kann man begreifen, wie eine Kamera funktioniert, indem man die Feder für die Belichtungszeit, die Linse oder die Blende einbaut.“
Paul Peltzer, der in Braunschweig einen Laden für Analogfotografie führt, empfiehlt absoluten Neulingen, mit dem Kleinbildfilm zu starten. „Kleinbild-Kameras gibt es zuhauf und auch schon zu günstigen Preisen, manchmal schon für unter 80 Euro, im Internet wie auch auf Flohmärkten“, erklärt der Experte. Er rät hier zu einer Spiegelreflex- oder Messsucher-Kamera. „Schön und komfortabel für einen Anfänger ist eine eingebaute Belichtungsmessung und automatische Einstellung der Belichtungszeit.“
Das Wichtigste beim Kauf ist für Peltzer, dass man ein gutes Gefühl mit der Kamera hat: „Sie sollte gut in der Hand liegen und ein angenehmes Gewicht haben.“ Neu muss sie nicht unbedingt sein. Allem voran stehe die Entscheidung, in welchem Format man fotografieren möchte: „Kleinbild, Mittelformat, Großformat - je größer das Format, desto höher die Preise und das Gewicht der Kamera.“
Beim Gebrauchtkauf sollte man nicht nur aus Äußere achten: „Viel wichtiger als ein paar Schrammen im Lack ist, ob die Kamera noch lichtdicht ist, oder ob einem die Gummidichtungen beim Öffnen der Kamera entgegenrieseln“, erklärt Paul Peltzer. Auch sollte der Verschluss ordentlich arbeiten. Dies lasse sich am besten mit geöffnetem Rücken testen, indem man einige Male auslöst und neu spannt - auch mit manuell veränderten Belichtungszeiten. Hier kann man feststellen, ob der Filmtransport funktioniert und ob der Verschluss vielleicht hakt, rät der Experte. Benötigt die Kamera eine Batterie sollte man zudem prüfen, ob das Batteriefach sauber und frei von Oxidationen ist.
Viele ältere Objektive lassen sich auch weitgehend für Analogkameras nutzen. „Wichtig ist, dass die Bajonette von Kamera und Objektiv zusammenpassen“, erklärt sagt Peter Nonhoff-Arps. Bei unterschiedlichen Bajonetten gibt es für viele Kombinationen Adapter zu kaufen.“ Diese kosten meist zwischen 10 und 100 Euro.
Ein eingebauter Belichtungsmesser nimmt Arbeit ab, ist aber laut Fotofachmann Peltzer nicht verpflichtend. Den Job könne auch ein Handbelichtungsmesser oder eine Belichtungsmesser-App auf dem Smartphone übernehmen. „Blitz und Motor sind zu vernachlässigen, eine gute Festbrennweite ist wunderbar, für den Anfang reicht aber auch ein Zoom-Objektiv“, so Peltzer weiter.
Ist die Kamera organisiert, muss man nur noch einen Film einlegen. Egal ob Schwarzweiß- oder Farbfilm: „Beides gibt man anfangs am besten zur Entwicklung ab, zum Beispiel im Drogeriemarkt, um zu sehen, was dabei herauskommt“, rät Peltzer. „Später lohnt es sich allerdings, Schwarzweißfilme selbst zu entwickeln.“ So erhalte man bessere, schönere, klarere Ergebnisse und mehr Möglichkeiten in der Bildgestaltung. Das nötige Equipment für die Selbstentwicklung sei für weniger als 200 Euro zu haben.