Facebook-Trend „spotted“ - hippe Kontaktanzeige oder Datenleck?
München (dpa) - Sie schaut kurz zu ihm herüber. Er lächelt schüchtern. Doch sie anzusprechen - das traut er sich nicht. Und schon ist sie im Gewimmel des Campus' verschwunden. Früher war die Uni-Romanze damit meist zu Ende, bevor sie angefangen hatte.
Dank eines neuen Trends beim sozialen Netzwerk Facebook besteht nun Hoffnung: Auf „spotted“-Seiten können Nutzer eine Art anonyme Kontaktanzeige veröffentlichen. Wenn ein anderer den Gesuchten kennt, kann er einen Hinweis geben. Die Seiten boomen, haben Tausende Fans - in Deutschland gibt es sie inzwischen für viele Universitäten, unter anderem in München, Hannover, Frankfurt, Hamburg und Dresden. Datenschützern ist der Boom alles andere als geheuer.
„Dein verträumter Blick ist mir sofort aufgefallen, und Dein verwegener Schnauzer verlieh Dir künstlerischen Charme. Noch bevor ich Deine Aufmerksamkeit auf mich ziehen konnte, verschwandest Du in Richtung Cafeteria. Deine beige Bommelmütze wippte beim Gehen und versetzte mein Herz in Schwingungen. Deine coole rote Berlinale-Tasche lässt mich darauf hoffen, dass Du Berlin magst und ein Filmliebhaber bist. Vielleicht können wir ja mal zusammen ins Kino gehen?“ So ähnlich wie dieser Eintrag auf der Seite „spotted: Uni Passau“ klingen viele Kommentare.
Das englische „to spot“ heißt „entdecken“ oder „bemerken“. Wer seinen potenziellen Traumpartner irgendwo entdeckt hat und nun sucht, schickt eine Nachricht an die Betreiber der Seiten. Darin beschreibt er (oder sie) seinen Schwarm, gibt Uhrzeit und Ort der verpassten Gelegenheit an. Die Betreiber veröffentlichen die Anfragen anonym.
Oft klingen sie wie eine Kontaktanzeige in der Zeitung. „Das ist im Grunde ein altes Phänomen“, sagt auch Astrid Carolus, Medienpsychologin der Universität Würzburg. „Nur eben getunt, weil der potenzielle Adressatenkreis viel höher ist.“
Erfunden wurde „spotted“ nicht in Deutschland. Der Trend kommt aus den USA und England. Das Phänomen beschränkt sich nicht nur auf die Bibliotheken und Seminarräume der Hochschulen. Auch für Diskotheken wie das Münchner P1 oder den öffentlichen Nahverkehr wie den VVS in Stuttgart existieren Flirtseiten. Und einige Betreiber entkoppeln die Aktion inzwischen von Facebook und programmieren eigene Homepages - wie zum Beispiel „bibflirt.de“.
Für die Suchenden läuft das alles anonym. Für den Gesuchten sieht es anders aus: In den Kommentaren können Freunde, die glauben, jemanden erkannt zu haben, beispielsweise einen Link zu deren Facebook-Seite posten. Immerhin - Fotos werden nicht veröffentlicht.
Rainer Gerling, Experte für Datenschutz an der Münchner Hochschule für Angewandte Wissenschaften, hält die „spotted“-Seiten trotzdem für problematisch. „Auch wenn man in bester Absicht schreibt und meint, man würde nur unverfängliche Informationen preisgeben, kann das für den Einzelnen fatale Folgen haben.“ Zum Beispiel, wenn der Arbeitgeber die Anzeige sieht und feststellt, dass der Gesuchte ein Mitarbeiter ist, der sich krankgemeldet hatte - und nun in der S-Bahn gesehen wurde. Das Problem sei vor allem die große Reichweite der Seiten, aber auch, dass die Anfragen über einen langen Zeitraum abrufbar seien. Gerling rät deshalb, vor jeder Nachricht an solche Seiten sehr sorgfältig nachzudenken, was man schreibt.
Bei vielen Suchanzeigen fällt es tatsächlich schwer, jemanden wiederzuerkennen. Nur leidlich eindeutig ist etwa der Kommentar auf „spotted: Stabi München“: „An den Kreuzberg-Pulli-Träger: Dank dir konnte ich mich heute nicht mehr auf mein Lernen konzentrieren, du bist das Interessanteste, was diese Uni zu bieten hat ...“ Meist beschränkt sich die Beschreibung jedoch auf „den heißen Typen“ oder „die Süße mit den Glitzerschuhen“.
Deshalb sieht sich das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht auch nicht zuständig für die Seiten. „Eine reine Beschreibung reicht nicht aus für einen konkreten Personenbezug. Bei den "spotted"-Seiten sehen wir diese Schwelle nicht überschritten“, sagt Referentin Miriam Meder. Aber: Wer sich in einer Beschreibung wiedererkennt, hat das Recht, sie von den Betreibern löschen zu lassen. Das betrifft wohl vor allem einige „spotted“-Ableger, die zu Lästereien aufrufen. Die Suche nach dem Traummann oder der Traumfrau über das Social Web kann also weitergehen.