Game-Nostalgie im Berliner Computerspielemuseum
Berlin (dpa) - Ob Fußballmatch oder Ego-Shooter - Computerspiele gibt es heute praktisch für jedes Handy. Kaum vorstellbar, dass man früher zum Daddeln extra in die Spielhalle gehen musste. Aber „Computer Space“, der erste Computerspiele-Automat, war mannshoch und nahm viel Platz ein.
Mittlerweile steht das technische Ungetüm aus dem Jahr 1971 im neuen Computerspielemuseum in Berlin. Das wird an diesem Freitag in der Karl-Marx-Allee eröffnet und zeigt „eine der größten Sammlungen weltweit“ aus rund 50 Jahren Computerspielgeschichte, wie Museumsdirektor Andreas Lange sagt. In Deutschland gibt es sonst keine vergleichbar umfangreiche Schau.
Das ist eigentlich verwunderlich angesichts der Bedeutung, die Computerspiele seit Jahrzehnten auch hierzulande haben. Schon in den 1980er Jahren gehörten Spielekonsolen zum Alltag, heute spielen auch Millionen Erwachsene regelmäßig zum Zeitvertreib. Überall wird gespielt - ob in der U-Bahn, im Wartezimmer beim Arzt oder in der Mittagspause am Arbeitsplatz.
Für Direktor Lange war die Erfindung der Computerspiele sogar ähnlich bahnbrechend wie die des Buchdrucks oder des Telefons. „Es gab immer wieder kulturelle Revolutionen, die bis heute unser Leben bestimmen. Computerspiele gehören dazu“, sagt Lange, der auch Kurator der Ausstellung ist.
Den Besucher erwartet eine Retrospektive zu einem guten halben Jahrhundert Computerspiele-Geschichte. Viele werden sich an vergnügte Stunden in der Kindheit erinnern, wenn sie plötzlich wieder einen Commodore 64, einen Gameboy oder 16-Bit-Konsolen Sega Mega Drive oder Super Nintendo vor Augen haben. Auch allerhand vergessene Software kommt zum Vorschein, etwa das erste Videospiel, das wegen Gewaltverherrlichung in Deutschland 1984 auf den Index kam: River Raid für die Konsole Atari 2600.
Ende der 1990er Jahre wurde das Computerspielemuseum schon einmal in Berlin gegründet, damals ein paar Blocks weiter an der Jannowitzbrücke. Vier Jahre, von 1997 bis 2000, gab es eine ständige Ausstellung. „Dann wurde geschlossen, der Platz war einfach zu klein“, sagt Lange. Dennoch wurde in den Folgejahren permanent weiter gesammelt, die unzähligen Exponate kamen zwischenzeitlich in einem Lager am östlichen Stadtrand und anderswo unter. Schließlich fand sich in der Karl-Marx-Allee 93 a ein passender Ort für die Wiedereröffnung des Museums.
Zu DDR-Zeiten befand sich in dem Gebäude das Café Warschau. Nun ist das Computerspielmuseum eingezogen und unternimmt auf 520 Quadratmetern Ausstellungsfläche und anhand Hunderter teils interaktiver Exponate einen Streifzug durch die Geschichte der Games und Konsolen. Insgesamt umfasst die Sammlung nach Angaben von Lange rund 14 000 Spiele, 2300 Hardware-Exponate sowie etwa 10 000 Magazine und Fachzeitschriften.
Als Schirmherr des Museums ließ sich Ralph H. Baer gewinnen, der Ende der 1960er Jahre mit der „Magnavox Odyssee“ die weltweit erste Spielkonsole für daheim entwickelte. Auch eine „Odyssee“ ist selbstverständlich im Berliner Computerspielemuseum zu bewundern.
Baer wurde 1922 bei Pirmasens geboren, musste wegen seiner jüdischen Abstammung aber in den 1930er Jahren mit seiner Familie emigrieren und zog in die USA. Die später von ihm entwickelte „Odyssee“ wurde durchaus ein Renner und verkaufte sich viele tausend Mal - auch wenn die Spiele der Konsole nach heutigen Maßstäben recht primitiv erscheinen.
Wie rasant sich die Computerspiele dann in den Folgejahren technisch weiterentwickelten, beeindruckt auch den „Urvater“ der Spielkonsolen. Diese „extrem schnelle Entwicklung“ insbesondere im Bereich der Grafik habe sich am Anfang niemand vorstellen können, sagt Baer. „Die modernen Spiele spiele ich aber nur, wenn meine Enkel mich besuchen und ihre Wii oder Xbox mitbringen.“
Dass viele Kids heute in ihrer Freizeit nichts anderes mehr machen als stundenlang bei Rollen- oder Actionspielen vor dem Computer zu sitzen, wird im Berliner Computerspielemuseum ebenfalls thematisiert. „Abhängigkeit, Gewaltverherrlichung - wir sprechen auch die dunkle Seite an“, sagt Direktor Andreas Lange.