Heftiger Streit um „Recht auf Vergessenwerden“ im Internet
Luxemburg (dpa) - Gibt es ein „Recht auf Vergessenwerden“ im Internet? Und falls ja: An wen muss man sich wenden? An Google vielleicht? Google findet sich überhaupt nicht zuständig. Vor dem höchsten EU-Gericht prallten die Meinungen aufeinander.
Der weltgrößte Suchmaschinenbetreiber Google will im Internet nicht dafür sorgen, dass unangenehme Dinge aus der Vergangenheit eines Menschen nach längerer Zeit aus dem Netz verschwinden. Die EU-Kommission und mehrere Regierungen sehen Google jedoch in der Pflicht, unter bestimmten Umständen einen Verweis auf persönliche Daten zu unterlassen.
Bei einer mündlichen Verhandlung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg beschäftigten sich die höchsten EU-Richter am Dienstag (26. Februar) mehr als drei Stunden lang mit der Kontroverse. Ein Grundsatzurteil werden sie erst in einigen Monaten sprechen.
Ausgelöst wurde das Verfahren durch einen Spanier, der von Google Spain verlangte, dass bei Eingabe seines Namens nicht länger die amtliche Bekanntmachung einer Zwangsversteigerung seines Hauses aus dem Jahr 1998 angezeigt wird. Diese Mitteilung musste damals nach spanischem Recht in der Tageszeitung „La Vanguardia“ veröffentlicht werden. Ein spanisches Gericht wollte vom EU-Gerichtshof wissen, ob Google gemäß den spanischen Datenschutzbestimmungen gezwungen werden könne, den Link zu dieser Seite der Zeitung zu entfernen.
Der Anwalt von Google Spain, Francisco-Enrique González-Diaz, lehnte das ab. Weder gelte eine EU-Datenschutzrichtlinie für das Unternehmen, noch sei Google für die Inhalte beispielsweise von Zeitungen verantwortlich.
„Google ist Vermittler, aber nicht Herausgeber von Informationen“, sagte er. Das Unternehmen sammle nicht absichtlich persönliche Daten, sondern erfasse lediglich den Inhalt von Webseiten. Google sei auch „nicht in der Lage, die Rechtmäßigkeit der Inhalte jeder Webseite zu bewerten“.
Ein Zwang zur Entfernung bestimmter Links verstoße zudem gegen die Grundrechte der Informations- und Meinungsfreiheit, sagte der Google-Anwalt. Sobald die Zeitung den Artikel entferne, sei er auch per Google nicht mehr auffindbar: „Der Herausgeber (die Zeitung) übt die entscheidende Rolle über die personenbezogenen Daten aus.“
Dem widersprach Joaquín Muñoz Rodriguez, Anwalt des spanischen Klägers. „Die betroffene Person muss ein Recht haben zu entscheiden, welche Information für sie schädlich ist“, sagte er. „Es gibt ein Recht auf Vergessen.“
Die amtliche Bekanntmachung einer Zwangsversteigerung von 1998 habe keinerlei Nutzen mehr. „Ohne Google gäbe es kaum eine Chance, diese Bekanntmachung heute jemals wieder zu finden. Google bewege sich mit der Behauptung, nicht selbst Informationen anzubieten, „am Rande des Datenschutzes“, sagte Alejandro Rubio González, Vertreter der spanischen Regierung. Das Unternehmen verarbeite Daten, auch wenn es kein Herausgeber von Informationen sei.
Google falle durchaus unter das spanische Datenschutzrecht, meinte auch die Anwältin der EU-Kommission, Isabel Martínez del Peral. Der Suchmaschinenbetreiber trage eine Verantwortung, die unabhängig von der Verantwortung des Herausgebers der Webseite sei. Sie bestritt auch, dass die Streichung von Verweisen auf bestimmte Webseiten eine Gefahr für die Grundrechte der Internetnutzer sei.
Der Gutachter (Generalanwalt) des Europäischen Gerichtshofes will am 25. Juni ein Urteil empfehlen. Das Gericht selbst wird erst einige Monate später entscheiden.