Internetkonferenz DLD: Die digitale Revolution kommt erst noch
München (dpa) - Bei der Internetkonferenz DLD mischt sich Skepsis in den Berufsoptimismus der Branche. Der US-Investor Joe Schoendorf warnte zum Auftakt am Sonntag, viele der Veränderungen führten dazu, dass Menschen ihren Job verlören.
„Wir ersetzen Arbeit durch Kapital“, sagte Schoendorf. Damit schwinde aber auch die Kaufkraft für die Produkte der Unternehmen. „Was machen wir mit all den Leuten, deren Jobs wir ersetzen?“, fragte der Investor. Darauf müsse auch die Wirtschaft Antworten finden und das nicht nur der Politik überlassen.
Schillerndster Gast des ersten Tages war der Gründer und Chef des umstrittenen Fahrdienst-Vermittlers Uber, Travis Kalanick. Er warb bei einem rund halbstündigen Vortrag für Uber als Alternative zu Taxis. Viele Regeln seien aufgestellt worden, um ein „geschütztes Monopol“ der Taxi-Branche zu verteidigen, kritisierte er. Uber wolle stärker auf die Kommunen zugehen: „Wir wollen 2015 zum Jahr machen, in dem wir eine Partnerschaft mit EU-Städten schließen.“ Das könne allein bis Ende dieses Jahres rund 50 000 neue Jobs schaffen.
Die Taxi-Branche wirft Uber vor, den Wettbewerb zu verzerren, weil das Startup über seine App im Teil-Dienst UberPop auch Privatleute Fahrgäste befördern lässt - ohne die nach Personenbeförderungsgesetz nötigen Genehmigungen. Die Branche erreichte in Deutschland vor Gericht Einschränkungen für das Uber-Angebot.
Die Schattenseiten der digitalen Revolution spielen bei den meisten Rednern zumindest eine Rolle, zu groß sind die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen, die der digitale Wandel verursacht. Dabei stehen die größten Veränderungen aus Sicht von DLD-Macherin Steffi Czerny noch aus. „Ich glaube, die digitale Revolution hat noch gar nicht stattgefunden“, sagte Czerny am Sonntag in München.
Das Internet habe zwar in den vergangenen Jahren beinahe alle Lebensbereiche verändert. „Aber was wir in den vergangenen Jahren gesehen haben, war nur das Vorspiel.“ Zugleich warnte sie davor, Furcht vor den Entwicklungen zu haben. „Wir müssen diese Revolution gestalten.“ Zur DLD unter dem Motto „It’s only the beginning“ („Es ist erst der Anfang“) kommen von Sonntag bis Dienstag rund 150 Redner. Die Veranstaltung gilt als einer der wichtigsten ihrer Art.
Star-Investor Ben Horowitz sagte, mögliche negative Folgen der digitalen Entwicklung dürften den technologischen Fortschritt nicht bremsen. „Da sind sicherlich böse Seiten bei jeder Technologie, die wir entwickeln.“ So habe etwa die Erfindung des Kühlschranks für die Beschäftigten der damaligen Eis-Branche einen dramatischen Einschnitt bedeutet. Die Frage sei aber nicht, ob die Technik böse oder gut sei. Es gehe viel mehr darum, den Wandel zu gestalten, sagte der Mitbegründer der Investmentfirma Andreessen Horowitz, die unter anderem beim Übernachtungsservice AirBnB, Facebook oder Groupon investierte. Das gelte nicht nur für Firmen, die auf Veränderungen reagieren müssten, sondern für die gesamte Gesellschaft.
Der Chef der Deutschen Telekom, Timotheus Höttges, beklagte im Ringen mit Internet-Firmen erneut eine fehlende Waffengleichheit. Während für die Telekom-Anbieter eine strenge Regulierung wie das Fernmeldegeheimnis gelte, müssten sich US-Internetgiganten bei der Datenauswertung nicht um solche Regeln kümmern. „Niemand von uns kann mit diesen Jungs auf gleicher Ebene konkurrieren“, nannte Höttges eine bekannte Beschwerde der Branche. Dabei liege in der Auswertung großer Datenmengen die Zukunft. Und Internet-Firmen böten etwa mit Kurznachrichten auch ähnliche Dienste wie die Telekom-Unternehmen an.
Die Politik müsse gleiche Rahmenbedingungen schaffen, sagte Höttges. „Wir brauchen Big Data und Regulierung.“ Derzeit verfalle etwa beim Autobahnmaut-System Toll Collect eine Menge von Daten, die zur besseren Steuerung der Verkehrsströme genutzt werden könnten - weil ihre Verwendung dafür datenschutzrechtlich untersagt sei.
Der britische Digitalminister Ed Vaizey sah das Beispiel als Argument für eine Liberalisierung. „Wollen Sie, dass die Konkurrenten reguliert werden - oder wollen Sie selber dereguliert werden?“, fragte er den Telekom-Chef.