Uber-Chef mit Charme-Offensive vor Internet-Elite in München
München (dpa) - Uber-Chef Travis Kalanick macht die Zukunft seines umstrittenen Fahrdienst-Vermittlers in Europa zur Chefsache. Er wolle etwas länger auf dem Kontinent bleiben, sagte der grauhaarige Firmengründer am Ende seines Auftritts auf der Internet-Konferenz DLD in München.
Zuvor hatte er europäischen Städten Zehntausende neue Jobs binnen eines Jahres versprochen und in der Perspektive weniger Verkehr und schönere Städte dank weniger Parkplätzen - wenn sie eine der angebotenen Partnerschaft mit Uber eingingen statt der aktuellen Konfrontation. Man müsse miteinander reden, war sein Signal.
Nach München kam der 38-jährige allerdings mehr als Uber-Prediger als für einen Dialog. Vor der kurzen Runde mit Fragen und Antworten auf der DLD-Bühne bekam er fast eine halbe Stunde Zeit für einen ausführlichen Vortrag - viel Raum für eine Charme-Offensive. Kalanick pflegte den Mythos vom viralen Erfolg der Uber-App, die eigentlich nur für ihn und seine Freunde erfunden worden sei. „Es sollte kein großes Business werden, es sollte uns nur helfen, durch die Stadt zu kommen.“
Dann klang Kalanick, als hätte er gerade den öffentlichen Nahverkehr und Taxis erfunden: „Es gibt eine Milliarde Autos auf den Straßen, die nur zu 96 Prozent genutzt werden; wir verschwenden 15 Prozent der Fläche unserer Städte für Parkplätze.“ Die Lösung: Autos gemeinsam nutzen, via Uber natürlich. Im kleinen DLD-Kreis von rund 1000 geladenen Gästen aus der Internet-Elite stieß Kalanick auf wohlwollenden Applaus.
Draußen in der Welt hat Uber einen zunehmend schweren Stand - auch in der Internet-Branche selbst. So bescheinigte der erfolgreiche Internet-Investor Fred Wilson, der einst die Chance ablehnte, früh Geld in Uber zu stecken, Kalanicks Truppe jüngst eine „unglaubliche, fast gnadenlose Umsetzung“. Zugleich seien sie Aufschneider, wie er kaum vergleichbare gesehen habe, sagte Wilson.
Dem Startup haftet das Image der Skrupellosigkeit an, allein schon nach dem gnadenlosen Konkurrenzkampf mit dem Rivalen Lyft in den USA - die Firmen werfen sich gegenseitig Sabotage mit tausenden gebuchten und abgesagten Fahrten vor. Nicht gerade hilfreich war auch der Fehltritt eines Top-Managers, der bei einem vermeintlich privaten Dinner darüber sinnierte, dass es eigentlich ganz gut wäre, mal im Privatleben kritischer Journalisten herumzuschnüffeln, damit man sie unter Druck setzen könne. Der Mann bekam einen Rüffel von Kalanick, behielt aber seinen Job.
Auch bestenfalls verunglückte PR-Aktionen wie der Blogeintrag, der die Häufigkeit von One-Night-Stands in verschiedenen Städten verglich, haben einen verheerenden Effekt in der öffentlichen Meinung. Sie erinnern daran, was für eine Menge an potenziell heiklen Daten über die Fortbewegung sich bei einem Dienst wie Uber ansammelt. Uber wird vermehrt nicht als mutiger Innovator wahrgenommen, sondern als Angreifer, der vor nichts zurückschreckt, um sich in den Markt zu zwängen - selbst in den amerikanischen Tech-Blogs, die lange zu den wichtigsten Unterstützern zählten, schwindet das Vertrauen.
Das ist der Hintergrund, vor dem Kalanick am Sonntag auf die DLD-Bühne trat. Die Botschaften, die er in München abspulte, konnten die meisten dieser Sorgen nicht widerlegen. Er wirkte routiniert - aber auch wie jemand, der aus einer anderen Welt kommt. Die meisten Menschen fühlten sich in einem Uber-Wagen sicherer als in einem Taxi, behauptete er etwa. „Wen rufen sie zum Beispiel an, wenn Sie sich von einem Taxi-Fahrer bedroht fühlen?“, fragte er an einer Stelle die Journalistin, die ihn auf der Bühne interviewte. Die Antwort, dass die Taxi-Firma hierzulande ans Telefon gehen und handeln würde, schien ihn perplex gemacht zu haben.