Kampf um die „schlaue Uhr“ - Apple mischt Traditionsbranche auf
Basel (dpa) - Noch trägt sie keiner am Arm. Doch bei der Baselworld, der wichtigsten Messe der Uhren- und Schmuckhersteller, ist sie in allen Köpfen: Vier Wochen vor dem Verkaufsstart hat die Apple Watch die milliardenschwere Zeitmesser-Branche aufgemischt.
Viele Augen sind nun auf Swatch-Patron Nick Hayek gerichtet. Kann der Mann an der Spitze des weltgrößten Uhrenkonzerns dem heimischen Industriezweig, der wie kein anderer mit dem Image der Schweiz verbunden ist, den Weg aus einer potenziell bedrohlichen Krise weisen?
Die Uhrenbranche, sagt Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann beim Messerundgang, sei ein Paradebeispiel, wie man sich aus einer Krise herausarbeiten kann.
In den 70er Jahren wurde die Welt mit Digitaluhren aus Fernost überschwemmt. In den Edelmanufakturen im Schweizer Jura brachen Aufträge und Arbeitsplätze weg. Da setzte Nicolas Hayek, der Vater von Nick, auf Firmenfusionen. Und auf ein billiges Fashionprodukt - die knallig-fetzige Swatch, ein Welterfolg.
Das war der Zopf, an dem sich die Schweizer Uhrenindustrie aus dem Sumpf zog. Längst strahlt sie wieder mit mehr als 500 Firmen, mehr als 50 000 Jobs und von Jahr zu Jahr gestiegenen Milliardenumsätzen. Aber wird das so bleiben angesichts des immer breiteren Angebots an Smartwatches? Jener „schlauen Uhren“, die als elektronische Beinahe-Alleskönner - einschließlich Internet-Zugang - daherkommen?
Die Aussichten für Hersteller sind verlockend: Der Weltmarkt für Smartwatches wird sich einer Studie des Marktforschungsinstituts GfK zufolge allein in diesem Jahr mehr als versechsfachen.
Hayek bleibt gelassen. „Wer von Ihnen trägt eine Smartwatch?“, fragt der 60-Jährige die Reporter, die zur Swatch-Bilanzpressekonferenz gekommen sind. Er lächelt, als sich niemand meldet. Die Apple Watch mag in aller Munde sein - für Hayek bedeutet dies aber nicht, dass ihr ein mit dem iPhone vergleichbarer Erfolg beschieden ist.
Zumal man bei Swatch zur Gegenwehr entschlossen ist. Freilich nicht mit einem „Minitelefon für das Handgelenk“. So etwas überlasse man anderen, erklärt Hayek bei der Präsentation der Swatch Touch Zero. Die Uhr mit jeweils angepassten digitalen Funktionen für Freizeitaktivitäten vom Beachvolleyball bis zum Kochen soll weniger als 150 Franken (140 Euro) kosten. Zudem soll man mit der Touch Zero per Handgelenkbewegung im Supermarkt bargeldlos zahlen oder auch elektrische Türschlösser öffnen können.
Hayek hofft, dass die Bezahlfunktion neue Märkte eröffnen wird. Gerade in den USA würden viele Leute keine Uhr mehr tragen. „Wenn man damit aber bezahlen kann, wird sich dies wieder ändern.“ Vor allem sieht Hayek sein Produkt im Vorteil, weil man es ein Jahr lang nutzen kann, ehe man an die Batterie denken muss. Die Apple Watch muss nach spätestens 18 Stunden aufgeladen werden.
Doch egal, welche Art von Smartwatch sich am Ende durchsetzen wird, in der traditionellen Uhrenindustrie vollzieht sich ein Sinneswandel. Das machte bei der Baselworld ein anderer der großen Chronometer-Patrone klar: Der 66-jährige Jean-Claude Biver, Chef der Uhrensparte des Louis-Vuitton-Konzerns LVMH, zu der Marken wie Hublot, Zenith und TAG Heuer gehören.
Es ist nicht lange her, dass Biver noch meinte, die Smartwatch werde in fünf Jahren „Sondermüll“ sein. Jetzt kündigte er eine Allianz von TAG Heuer mit Intel und Google für eine Computeruhr auf der Basis des Erfolgsmodells Carrera an. Google stellt sein Betriebssystem Android Wear zur Verfügung, Intel die Chips.
Anders als Hayek mit der Touch Zero will Biver mit der Carrera Connected nach eigenem Bekunden klar dem Weg von Apple folgen und Amerikaner möglichst noch überholen: „Weil wir das volle Programm wollen und etwa sechs Monate später kommen, werden wir an der Spitze der Technologie stehen und Apple bei den Funktionen vielleicht noch übertreffen“, sagte Biver der Schweizer „Sonntags-Zeitung“.