Warten auf den Techniker: Der Kampf um den DSL-Anschluss
Berlin (dpa/tmn) - Im Netz klang alles so einfach. Für den neuen DSL-Anschluss nach dem Umzug muss nur das Onlineformular ausgefüllt werden. Dann den Router anschließen, der Techniker kommt und schaltet die Leitung frei.
Fertig. Doch am vereinbarten Termin nach zwei Wochen Wartezeit kommt kein Techniker.
Stattdessen eine E-Mail in der es heißt, man habe den Neu-Kunden nicht zu Hause angetroffen. Die gute Laune ist dahin, der Urlaubstag auch - Internet gibt es keins.
Durch Gespräche und eine Suche im Internet wird klar: Das geht einigen Menschen so. Auch im Jahr 2015 bedeutet DSL öfter mal „Dauert Sehr Lange“. Auch für den Neu-Kunden beginnt ein Lauf im Hamsterrad: Der neue Telefonanbieter entschuldigt sich und verweist auf die Telekom. Die erklärt sich dafür als nicht zuständig und verweist auf den Anbieter. Der muss dann einen neuen Termin ausgerechnet mit den Technikern der Telekom vereinbaren. Der Kunde kann nur warten.
„Der Verbraucher wird in der Mitte zerrieben“, sagt Thomas Bradler von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen und beschreibt das komplexe System, mit dem Verbraucher zu ihrem Breitbandanschluss kommen. Zwar haben sie mittlerweile die Wahl zwischen vielen verschiedenen Anbietern. Am rosa Riesen kommt aber keiner vorbei, selbst wenn er kein Telekom-Kunde ist. Da die Leitungen und Hausanschlüsse im Besitz der Telekom sind, ist das Unternehmen mit seinen beauftragten Technikern eine Art Türsteher des Internets.
Wie oft es passiert, dass Verbraucher vom Techniker versetzt werden, ist gar nicht so einfach herauszufinden. Die Telekom spricht von zwei bis drei Prozent aller Fälle bei etwa 17 000 täglichen Terminen. Auf ein Jahr mit etwa 250 Arbeitstagen hochgerechnet, wären das immerhin zwischen 85 000 und rund 128 000 geplatzte Termine, für die das Bonner Unternehmen die Verantwortung übernimmt. Dabei handelt es sich aber nicht nur um DSL-Schaltungen. Ein grundsätzliches Problem beim Schalten von Anschlüssen und der Organisation der Technikertermine sieht das Unternehmen nicht.
Auch die zuständige Bundesnetzagentur (BNetzA) hat keine genauen Zahlen. Sie berichtet von einer fünfstelligen Zahl an Anfragen und Beschwerden. Doch auch hier sind andere Fälle mit eingerechnet, und die Dunkelziffer dürfte sehr hoch sein. Denn wer wendet sich bei Beschwerden schon an eine Bundesagentur?
Etwas andere Zahlen erhält man von den Mitbewerbern der Telekom. Rund neun von 100 Technikerterminen bei Neuschaltungen platzen, sagt Steffen Hensche vom Berliner Anbieter Easybell. Die angeblich nicht zu Hause angetroffenen Kunden sorgen dort für so viele Beschwerden, dass man um eidesstattliche Versicherung der Anwesenheit bittet. Für eine Klage gegen die Telekom. Rund die Hälfte der Kunden, die nach eigenen Angaben versetzt wurden, gibt eine solche Erklärung ab.
„Es wird häufig berichtet, dass die Techniker so ausgelastet sind, dass sie ihre Termine nicht schaffen“, sagt Verbraucherschützer Bradler. Genaue Zahlen hat die Verbraucherzentrale aber auch nicht. Acht bis zehn Termine pro Tag müssen die Fachkräfte laut Telekom bewältigen.
Fällt so ein Termin aus, geht für den Kunden der Ärger oft erst richtig los. Ist er kein Kunde der Telekom, muss er sich an seinen Anbieter wenden. Direkten Kontakt zum Techniker kann der Kunde nicht aufnehmen. Fallen durch den nicht geschalteten Anschluss Extrakosten an, etwa durch erhöhte Handynutzung, müssen diese auch vom Anbieter eingefordert werden. „Sie haben nur Ansprüche gegen ihren Vertragspartner“, sagt Bradler. Über diesen Umweg werden auch die Ersatztermine wieder organisiert. Für den Kunden ein Hin und Her, dem er hilflos ausgeliefert ist.
„Dass bei Neuschaltungen der Technikertermin Probleme macht, hören wir immer wieder“, sagt ein Sprecher der BNetzA. In großen Ballungsräumen platzen die Technikertermine besonders häufig. Warum? Das weiß auch die Netzagentur nicht, es gibt nur eine vorsichtige Vermutung: „Die machen sich das Leben nicht so leicht, wie sie könnten“, heißt es mit Blick auf das Verhältnis von Telekom und ihren Mitbewerbern.
Dem Kunden bleiben nur wenige Möglichkeiten: Ausharren und hoffen, oder dem Ärger Luft machen. Wirklich beschleunigen kann das den Vorgang in keinem Fall. Nach gesetzter Frist zu kündigen, ist der dritte Weg - ins Netz kommen Betroffene so aber auch nicht. „Man kann schauen, ob man andere Möglichkeiten zum Internetanschluss hat“, rät Bradler. Doch nicht immer steht ein Kabelanschluss zur Verfügung, und drahtloses Internet über LTE ist für Vielsurfer unerschwinglich.
Bei der BNetzA können sich Verbraucher beschweren, für weitere Hilfe wird an die Verbraucherzentralen verwiesen, die aus Mangel an Alternativen zur Sonderkündigung oder zu einem alternativen Anschluss raten. Es ist ein wenig wie der Antrag für den berühmten Passierschein A38 aus „Asterix erobert Rom“.
Dem auf seinen DSL-Anschluss wartenden Neu-Kunden wird im zweiten Anlauf geholfen - nach vier Wochen Wartezeit. Drei große Schilder mit der Telefonnummer an der Tür weisen dem Techniker den Weg. Der stellt sich als humorvoller Vertreter eines Subunternehmens heraus und schaltet die Leitung in zehn Minuten frei. „Ich habe 13 Termine heute“, sagt er.
Auf den geplatzten letzten Termin angesprochen, sagt er nur: „Ich wäre gekommen. Aber manche Kollegen sehen vierter Stock Seitenflügel und stecken sofort die Karte in den Briefkasten.“ Der traurige Rekord, von dem er in seiner bisherigen Karriere gehört hat: Ein Paar in Berlin-Reinickendorf. „Siebter Stock, kein Aufzug. Sieben Monate hat dit jedauert, bis die Telefon hatten.“