Kampf ums digitale Portemonnaie ist entbrannt

New York/Berlin (dpa) - Ausgebeulte Hosen könnten bald der Vergangenheit angehören. Statt des dicken Portemonnaies soll bald nur noch ein schlankes Smartphone ausreichen. Mit ihm lässt sich der Einkauf an der Supermarkt-Kasse oder Tankstelle bezahlen, die Theaterkarten sind ebenfalls auf dem Gerät hinterlegt.

Das Handy dient als Schlüssel fürs Auto und als Wegweiser in einer unbekannten Stadt. Das alles ist technisch schon seit Jahren machbar und geisterte immer wieder durch die Gazetten, doch die Umsetzung blieb die ganze Zeit eher Zukunftsmusik. Nun ist es wieder einmal der Quereinsteiger Google, der die Branche aufmischt. In Zusammenarbeit mit der Citibank und dem Kreditkartenanbieter Mastercard hat der Internetkonzern ein System aufgebaut, das bis zum Sommer zuerst die USA und später den Rest der Welt überziehen soll.

Von Googles Vorstoß wird eine Signalwirkung erwartet. Der Konzern hat sich mit seinem Android-Betriebssystem einen guten Teil des Smartphone-Markts gesichert und bringt nun die Rivalen Apple mit dem iPhone und Microsoft mit seinem Windows Phone unter Zugzwang. Dem Vernehmen nach arbeiten beide ebenfalls an Bezahlhandys. Sind die erstmal draußen, dürfte das Geschäft förmlich explodieren: Der Marktforscher Gartner schätzt, dass quasi aus dem Stand bis 2014 insgesamt 340 Millionen Menschen per Handy bezahlen werden und dabei 245 Milliarden Dollar (170 Mrd Euro) ausgeben.

Die Supermärkte, Klamottenläden oder Fast-Food-Ketten sind auf den Ansturm vorbereitet. So hat Mastercard alleine in 124 000 Geschäften in den USA seine sogenannten PayPass-Geräte aufgestellt. Bei diesen muss der Kunde seine Kreditkarte nicht mehr durch einen Schlitz ziehen (und sich jedes Mal fragen: wie herum denn nun?), sondern er schwenkt das Plastikgeld einfach in die Nähe des Lesers. Die Daten werden per Funk übertragen. Der zweite große Zahlungsabwickler Visa hat ein ähnliches System aufgezogen.

Die dahinter steckende NFC-Technik (Near Field Communication) macht sich auch das Handy fürs Bezahlen zunutze. Das Smartphone muss dafür mit einem NFC-Chip ausgerüstet sein. Die Kreditkarten-Daten werden dann in einer speziellen App - einem kleinen Zusatzprogramm - hinterlegt. Und parallel zum Bezahlen können noch Punkte für das Bonusprogramm des jeweiligen Händlers gutgeschrieben werden.

Die Handyhersteller müssen sich also gar nicht um die Zahlungsabwicklung sorgen, das erledigen wie bisher die Finanzkonzerne. Für diese bedeutet das Eindringen von Fremden in ihre Domäne dennoch eine Gefahr, denn plötzlich müssen sie ihre Kunden teilen und sind nicht mehr alleine Herr der Milliarden-Geldströme. Verlangen die Handyhersteller und vielleicht sogar die Mobilfunk-Betreiber am Ende sogar ihren Anteil an den bisher so einträglichen Gebühren?

Der Online-Zahlungsabwickler PayPal, der zu Ebay gehört, hat Google bereits nur Stunden nach der Vorstellung des „Google Wallet“ genannten Bezahlservices verklagt. Der Vorwurf: Übergelaufene Mitarbeiter hätten Firmengeheimnisse gestohlen, die Google dann für den Aufbau seines eigenen Handy-Bezahldienstes genutzt habe.

Dass die Kunden mobil bezahlen wollen, hat Visa vor einigen Monaten bei der Befragung von 4200 Menschen in Großbritannien, Italien, Polen und der Türkei herausgefunden. Demnach waren 41 Prozent am Handybezahlen interessiert. Googles Vorstoß scheint also ins Schwarze zu treffen.

„Das ist wirklich eine Revolution“, sagt Henri Ardevol, Spezialist für sichere Transaktionen beim NXP-Konzern, der die nötigen Funkchips herstellt. Google verschaffe alleine mit seiner Marktmacht der NFC-Technologie einen sehr starken Start. Auch in Deutschland dürfte „Google Wallet“ bald verfügbar sein: Erste Angebote über die großen Mobilfunkanbieter erwartet Ardevol „in naher Zukunft“.