Marktforscher sehen drastischen PC-Einbruch: „Windows 8 hat versagt“

New York (dpa) - Der PC-Markt hat zum Jahresbeginn seinen wohl tiefsten Einbruch erlebt. Eine Mitschuld daran trägt nach Überzeugung renommierter Marktforscher ausgerechnet das neue Windows 8 von Microsoft, das eigentlich den Absatz beleben sollte.

Es habe mit seiner neuen Bedienung Kunden vergrault. Viele Nutzer kaufen nun lieber Tablet-Computer oder begnügen sich zum Surfen im Web und zum Abrufen ihrer E-Mails mit einem Smartphone.

Die Auslieferung von Notebooks und Desktops sei im
ersten Quartal um beinahe 14 Prozent auf 76,3 Millionen Geräte
gefallen, ermittelten die Analysten von IDC. Einen tieferen
Absturz habe es seit Beginn der Datenerhebungen im Jahr 1994 nicht
gegeben, erklärten die Marktforscher am Mittwoch.

Der IDC-Konkurrent Gartner veröffentlichte kurz darauf ebenfalls
seine Marktzahlen, die einen etwas moderateren Absatzrückgang von
11 Prozent auf 79,2 Millionen Personal Computer auswiesen. Zugleich
gab Gartner-Analyst Mikako Kitagawa eine düstere Prognose für die
PC-Branche ab: Nicht einmal in den Entwicklungsländern sei noch ein
starkes Wachstum beim Absatz klassischer Notebooks und Desktops zu
erwarten.

Der Kurs der Microsoft-Aktie fiel bis zum Donnerstagmittag in New York um 5 Prozent. Die Papiere des weltgrößten PC-Herstellers Hewlett-Packard, der besonders unter Verkaufseinbrüchen zu leiden hatte, gaben um 6 Prozent nach.

Eigentlich sollte Windows 8 den PC-Herstellern eine Wende
bescheren. Doch nach Ansicht von IDC machte Microsoft mit
seinem neuen Betriebssystem die Situation nur noch schlimmer.
„Es scheint klar, dass die Veröffentlichung von Windows 8 nicht nur
dahingehend gescheitert ist, den PC-Markt anzukurbeln“, sagte
IDC-Analyst Bob O'Donnell. „Es scheint sogar, dass der Markt
abgebremst wurde.“

Nach seiner Ansicht könnten sich die Kunden einfach nicht an die
Software gewöhnen. Als Gründe führte er die radikal andere Bedienung
des Betriebssystems mit seinen bunten Kacheln an sowie den Wegfall
des vertrauten Start-Buttons an. Zudem seien manche PCs durch den
Einbau von berührungsempfindlichen Bildschirmen teurer geworden. Auch
Gartner-Kollegin Isabelle Durand bezweifelte, dass die Kunden bereit
seien, den Aufschlag zu zahlen.

„Der traditionelle PC ist auf dem Rückzug“, räumte
Microsoft-Sprecher Thomas Mickeleit gegenüber der Nachrichtenagentur
dpa ein. Gleichzeitig zog er aber die Aussagekraft der Absatzzahlen
in Zweifel. „Der PC kommt heute in vielerlei Formen daher.“ Gerade
durch Windows 8 habe die Zahl der Mischgeräte aus PC und Tablet
zugenommen. So gibt es Notebooks mit Touchscreen und Tablet-Computer
mit abnehmbarer Tastatur. Durch die neuen Formen sei es schwierig,
die Absatzzahlen genau zu ermitteln, erklärte Mickeleit.

In die PC-Absatzzahlen von Gartner- und IDC fließen keine
Tablet-Computer ein, diese werden gesondert ausgewiesen. Hier gingen
die Verkaufszahlen bis zuletzt steil nach oben. Microsoft hatte auf
den Wandel mit seinem Windows 8 reagiert, das für
berührungsempfindliche Bildschirme ausgelegt ist.

Während Windows auf etwa 90 Prozent aller PCs läuft,
prognostizieren die IDC-Marktforscher bei Tablets für dieses Jahr nur
einen Anteil von knapp 5 Prozent. Microsoft war erst vergleichsweise
spät in das Geschäft eingestiegen; auf den meisten Tablet-Computern
läuft Googles Betriebssystem Android oder Apples iOS. Bis 2017 sehen
die IDC-Experten den Windows-Anteil auf gut 10 Prozent steigen.

Vor allem private Nutzer haben sich vom PC abgewendet. Firmen
setzten noch auf die leistungsstarken Rechner, allerdings erneuern
sie ihre Hardware seltener. „Die geringeren Auslieferungen an sich
waren keine Überraschung, aber die Heftigkeit des Rückgangs“, sagte
IDC-Experte David Daoud. Die Branche müsse nun darum kämpfen, „für
den Kunden relevant zu bleiben“.

Microsoft selbst plant offenbar, mit einer Ausweitung seines
Tablet-Angebots zu reagieren. Nach dem Debüt seines Surface-Tablets
im Oktober wolle das Unternehmen noch eine kleinere Variante mit
7-Zoll-Display auf den Markt bringen, berichtete das „Wall Street
Journal“. Auch Apple hatte ein iPad mini auf den Markt gebraucht,
nachdem kleinere Android-Tablets immer beliebter wurden.

Neben Microsoft bekamen auch einige große PC-Hersteller von den
IDC-Marktforschern die Leviten gelesen: Bei Hewlett-Packard läuft ein
groß angelegter Umbau; um Dell tobt eine Übernahmeschlacht. Das habe
die Nachfrage von Kundenseite weiter abgeschwächt, konstatierten die
Branchenkenner. Als rühmliche Ausnahme führten sie den chinesischen
Hersteller Lenovo an, der seine Auslieferungen den Daten zufolge
stabil halten konnte. Bei Apples Mac-Computern widersprachen sich IDC
und Gartner mit ihren Daten.