Per Speeddating zum Startkapital - Internet-Unternehmen im „Pitch“

Berlin (dpa) - Ein Geschäft, viel älter als das Internet: Haushaltsputz. Sergiej Soft von cleanberlin.org will es trotzdem neu aufziehen - Buchung übers Netz und günstige Preise inbegriffen. Um sich Investoren vorzustellen, hat er eine Putzfrau mit Staubfeudel mitgebracht.

Doch die Technik spielt nicht mit, er muss seinen Werbevortrag, Neudeutsch „Pitch“ genannt, ohne Mikro beenden. Dafür verspricht er den anwesenden Investoren bei Interesse eine besonders gründliche Haushaltsreinigung.

Er ist einer von mehreren Dutzend Jungunternehmern, die an diesem Freitag an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht um das Interesse von Investoren buhlen. Hier findet zum dritten Mal das „Startup Camp Berlin“ statt, der „Pitch-Marathon“ gehört neu zum Programm. Jedes Team hat vier Minuten Zeit, um seine Geschäftsidee zu präsentieren, dann beenden die Veranstalter den Vortrag.

Potenzielle Geldgeber können nun verschiedenfarbige Kärtchen mit unterschiedlichen Geldbeträgen an die hoffnungsvollen Unternehmer verteilen. Wer am Ende das meiste Spielgeld eingesammelt hat, gewinnt Gutscheine und Bares im Wert von gut 25 000 Euro. Die Investoren loben, dass viele der Gründer nicht nur Ideen vorstellten, sondern sich Gedanken über das künftige Geschäftsmodell gemacht hätten. In den Pausen belagern die jungen Gründer die Investoren mit den roten Ansteckbuttons und zeigen ihnen auf Tablet oder Notebook ihre Ideen. Locker gekleidete junge Unternehmenschefs in Turnschuhen umwerben die Anzugträger mit den dicken Brieftaschen.

Dabei ist Geld nicht für alle Gründer das Hauptziel der Übung. „Zwar gibt es ein Preisgeld, aber wir kommen hierher, um Kontakt mit den Investoren aufzunehmen“, sagt Michael Bingel von Klickfilm. Das Computerprogramm verknüpft Gegenstände aus Internet-Videos mit Internetshops, damit Zuschauer sie per Mausklick direkt kaufen können.

Christoph Sollich hilft den Start-ups bei den Vorbereitungen. Er nennt sich „Pitch Doctor“ und berät junge Gründer, die sich die Finanzierung im Speeddating mit Investoren erkämpfen wollen. Gründer müssten Investoren gegenüber Durchhaltevermögen zeigen. „Start-ups sind auch immer etwas, was wehtut.“ Daher wollten Investor wissen, wie ernst die Jungunternehmer es meinen.

Die meisten Gründer wirken wie frisch von der Uni. Dabei entspricht der durchschnittliche Gründer in der deutschen IT-Branche nicht unbedingt dem jugendlichen Klischee. Nach Erhebungen des IT-Branchenverbands Bitkom ist der durchschnittliche Jungunternehmer 38 Jahre alt. „Es gibt zwei dominierende Typen von Gründern,“ sagt Bitkom-Sprecher Maurice Shahd. „Die einen sind noch recht jung, die anderen schon um die 50 Jahre alt. Das Klischee der jungen Wilden stimmt nur zum Teil.“ In die Gruppe der älteren Gründer fallen demnach vor allem Menschen, die sich nach einer Karriere im IT-Bereich etwa als Berater selbstständig machen.

Auch die Politik hat sich das Thema auf die Fahnen geschrieben. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler will den Gründern 2013 mit Investitionszuschüssen von 30 Millionen Euro unter die Arme greifen. Zum Auftakt der Veranstaltung fordert er auch einen kulturellen Wandel: „Wir brauchen in Deutschland eine Kultur der zweiten Chance.“ Unternehmerisches Scheitern sei noch immer ein Stigma, in den USA hingegen als Teil der eigenen geschäftlichen Erfahrung akzeptiert.