Scheidender Microsoft-Chef: Haben das Smartphone verschlafen
Bellevue (dpa) - Kurz vor seinem Abgang als Microsoft-Chef blickt Steve Ballmer selbstkritisch zurück und gesteht Fehler. Anfang des letzten Jahrzehnts sei der Software-Konzern so auf Windows konzentriert gewesen, dass man sich zu wenig um „eine neue Geräteklasse namens Telefon“ gekümmert habe.
„Das ist wohl die Sache, die ich am meisten bedauere“, sagte Ballmer bei einem Analystentreffen des Konzerns. Das Versäumnis wiegt nach Ansicht von Ballmer umso schwerer, da Microsoft seine Energie damals in Windows Vista gesteckt habe.
Diese Version des PC-Betriebssystems fiel bei den Kunden durch, noch heute nutzen Anwender den Vorläufer Windows XP. „Ich wünschte, wir hätten unsere Ressourcen etwas anders eingesetzt“, sagte Ballmer auf der Bühne des Konferenzzentrums von Bellevue nahe der Firmenzentrale.
Der Rivale Apple rollte ab 2007 mit seinem iPhone-Handy den Markt auf und schob 2010 den Tablet-Computer iPad hinterher. In der Folge schrumpfen seit einiger Zeit die Verkäufe klassischer Windows-PCs. „Mobile Geräte - wir haben fast keinen Marktanteil“, räumte Ballmer ein. „Ich weiß nicht, ob ich das mit Enthusiasmus oder mit einer Art unangenehmer Anspannung sagen soll. Aber ich bin ein optimistischer Typ. Alles, wo wir einen kleinen Marktanteil haben, klingt für mich nach einem großen Aufwärtspotenzial.“
Ballmer hatte im Jahr 2000 Bill Gates an der Microsoft-Spitze abgelöst. Der Konzern kündige im vergangenen Monat an, dass Firmenveteran Ballmer binnen zwölf Monaten aufhören werde. Die Suche nach einem Nachfolger läuft. „Es gibt keinen neuen Stand“, sagte Finanzchefin Amy Hood. Infrage kommen sowohl Microsoft-Manager als auch firmenfremde Kandidaten. „Wenn ich aufhöre, bin ich nur noch ein Typ, der 4 Prozent an Microsoft hält“, sagte Ballmer. Es könnte einer seiner letzten öffentlichen Auftritte gewesen sein.
Obgleich Ballmer Fehler einräumte, zog er insgesamt ein positives Fazit. Er verglich in einer Tabelle die Finanzkennzahlen großer Technologiekonzerne. Demnach verdiente nur Apple im vergangenen Jahr mehr. Auf zehn Jahre gesehen liegt Microsoft jedoch vorne mit einem Gesamtgewinn von 220 Milliarden zu 175 Milliarden Dollar. Auch bei den Ausschüttungen an die Aktionäre schlage Microsoft „jeden anderen aus dem Feld“.
Ballmer hatte Microsoft vor seinem Ausscheiden noch einen Kulturwandel verordnet: Das Unternehmen bietet neben Software verstärkt Dienstleistungen und Geräte an, was zu einer neuen Arbeitsteilung im Haus führt. Der Konzern arbeite an Versionen seiner Office-Bürosoftware, die zu allererst auf die Nutzung mit berührungsempfindlichen Bildschirmen konzipiert seien, sagte der zuständige Microsoft-Manager Qi Lu.
Im Geschäft mit Unternehmenskunden sieht Microsoft seine Zukunft vor allem im Cloud Computing, also der Auslagerung von Anwendungen und Daten auf Rechner im Internet. Microsoft-Manager präsentierten den Analysten stark steigende Geschäftszahlen in diesem Bereich.