Online-Dating Wie Tinder und Co. das Konsumverhalten beeinflussen
New York · Online-Dating verändert das Kennenlernen. Aber auch das Konsumverhalten, sagt Daniel McMurtrie. Der Geschäftsführer des New Yorker Hedgefonds Tyro Capital Management beschäftigt sich aus Investorensicht mit der Dating-Branche.
"Wenn man bedenkt, wie viel Geld man ausgibt, um einen Partner zu finden, ihn zu umwerben, zu heiraten und Kinder zu bekommen, dann ändert sich das alles durch das Online-Dating", sagt der 28-Jährige.
Das Kennenlernen übers Internet habe sich "von einer von manchen belächelten Nische zur vorherrschenden Form der Partnersuche" entwickelt, gibt er zu bedenken. 30 Prozent der Erwachsenen in den USA haben schon einmal eine Dating-App oder -Website benutzt, wie eine vergangene Woche veröffentlichte Studie des Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center ergab. Bei den unter 30-Jährigen sind es demnach fast 50 Prozent.
Das Smartphone hat Dating übers Internet populär gemacht. Nutzer müssen nur Bilder hochladen und einige wenige persönliche Informationen eingeben, um sofort Fotos Gleichgesinnter zu sehen. Ein Wisch über das Display signalisiert Interesse. Bei gegenseitigem Gefallen kann das Kennenlernen beginnen.
Es kostet kaum noch Geld und Zeit, ein Date zu arrangieren. "Früher haben die Leute innerhalb ihres sozialen Umfelds, im Freundes- und Familienkreis und der Kirchengemeinde nach einem Partner gesucht", sagt McMurtrie. "Das war vielleicht ein Kreis von maximal 100 bis 200 Menschen." Scheitert das Date im Bekanntenkreis, könne das schnell peinlich werden. "Warum soll man das riskieren, wenn man mit einer App auf der Stelle Dutzende kennenlernen kann?", fragt McMurtrie.
In der Regel heiraten Paare in den USA heute später und lassen sich seltener scheiden. Meistens werde das mit längeren Ausbildungen und wirtschaftlicher Unsicherheit erklärt, sagt McMurtrie. Er sieht jedoch weitere Gründe dafür: "Die Menschen haben mehr Dates und lernen dadurch ihre Vorlieben und Voraussetzungen für eine langfristige Beziehung besser kennen."
Diese Entwicklung habe auch wirtschaftliche Auswirkungen - "auf die Konsumausgaben und die Bildung von Haushalten", sagt McMurtrie. Als Beispiel nennt er den wachsenden Markt für Männer-Kosmetik. Männer kauften mehr Pflegeprodukte, um auf den Profilbildern besser auszusehen. Männer-Düfte würden hingegen nicht mehr verkauft als früher, denn "ein Selfie kann man schließlich nicht riechen".
Die größten Player auf dem US-Markt, wie zum Beispiel die Apps Tinder, Bumble oder Hinge, verdienen Geld mit kostenpflichtigen Versionen, die mehr Service und höhere Sichtbarkeit versprechen. Im Moment sind das bei Tinder McMurtrie zufolge pro zahlendem Nutzer 59 Cent täglich.
Viel größere Verdienstmöglichkeiten sieht der Investor in der Zusammenarbeit der Anbieter mit Restaurants, Kosmetik- und Bekleidungsgeschäften. "Für ein Date gibt man in New York mindestens 100 Dollar (92 Euro) aus", sagt McMurtrie. "Die Frage ist, welchen Anteil an den 100 Dollar Tinder für die Vermittlung veranschlagen könnte."
Noch gebe es dazu kaum Untersuchungen, da "Online-Dating mit Sexualität verbunden ist und deshalb ist das Thema vielen im beruflichen Kontext unangenehm", so der Investor.
Unterschätzt wird seiner Ansicht nach bisher auch der Einfluss des Online-Datings auf die Position von Frauen, besonders in sehr konservativen Gesellschaften. In Ländern, in denen Frauen sich traditionell mit Anwärtern aus dem Bekanntenkreis begnügen mussten, "haben sie nun statt 15 eine Million Optionen". Dabei könnten Frauen auch "einen Mann ablehnen, ohne ihren Ruf zu riskieren".
"Das ist nicht nur ein großer gesellschaftlicher Fortschritt", sagt McMurtrie. "Das ist auch gut für die Wirtschaft, denn damit hat die Hälfte der Bevölkerung die Möglichkeit, selbst zu entscheiden und gleichberechtigt mitzubestimmen."
sp/bk