"Anonymus"-Regisseur Emmerich: Nicht anecken heißt aufgeben
Ab Donnerstag läuft Roland Emmerichs kontrovers diskutierter Shakespearefilm „Anonymus“ im Kino. Die WZ sprach mit dem international renommierten Regisseur.
„Anonymus“ ist sowohl was das kleine Budget als auch was das Thema angeht ein sehr ungewöhnlicher Film für Sie. Wie viel Spaß hatten Sie an dem Projekt?
Emmerich: Das war fast wie Urlaub für mich. Weil es mir immer am meisten Spaß macht, mit Schauspielern zu arbeiten und Dialoge zu drehen. Das gilt auch für meine anderen Filme: Wenn morgens auf dem Drehplan steht: „Dialoge“, dann freue ich mich immer. Dann weiß man nämlich am Abend, was man getan hat.
Nach fast 20 Jahren haben Sie mal wieder in Deutschland gedreht, wie schon viele Hollywoodkollegen vor Ihnen in den Babelsberger Studios in Potsdam. War das eine gute Erfahrung?
Ich bin freudig erregt nach Deutschland gekommen, mir hat das total Spaß gemacht. Das ist ja auch cool, wenn man mit der Crew manchmal deutsch sprechen kann. Und die arbeiten dort super professionell, aber für weniger Geld, was ja auch immer cool ist. Ich habe auch sehr gute Erinnerungen an meine Filme, die ich in Deutschland gedreht habe. Mich haben ja damals nicht die Crews verjagt, sondern die Kritik und die wirtschaftliche Notwendigkeit.
Jetzt fragt sich ja manch einer: was ist denn mit dem Roland Emmerich los? Er dreht mit nur 25 Millionen Dollar Budget, und dann auch noch einen Film über Shakespeare. Stimmt der Eindruck, dass Sie an dieser kleinen Irritation Spaß haben?
Emmerich: Absolut. Aber man muss sich auch selbst manchmal überraschen. Und man muss das machen, wofür man sich interessiert. Ich war immer an Literatur, an Geschichte und an Politik interessiert. Ich war auch immer ein bisschen ein Querdenker, ich habe immer viele Fragen gestellt. Und all das kulminiert in diesem Skript, das ich gefunden habe. Ich finde auch wichtig, dass man sagt, was man denkt und nicht vorsichtig ist. Wenn niemand anecken will, wo kommen wir da hin? Das wäre für mich so, als wenn ich aufgeben würde. Ich versuche ja auch in meinen breiter angelegten Filmen immer eine radikale Message einzubauen. Z. Bsp. in „2012“ traue ich den Regierungen der Welt nicht viel zu.
Im Fall von Anonymus lautet die radikale Message: Der Mann namens William Shakespeare aus Stratford-upon-Avon hat die Stücke, die unter seinem Namen zu Weltruhm gelangten, gar nicht geschrieben, sondern ein Adeliger, der Earl of Oxford, der unerkannt bleiben wollte. Haben Sie Beweise?
Emmerich: Z.Bsp. hat William Shakespeare in seinen Stücken viele Figuren karikiert, die ganz mächtig waren, aber er wurde nie verhaftet. Und deshalb glauben ja viele, dass er zu wichtig war und dass es einen großen Skandal gegeben hätte, wenn bekannt geworden wäre, wer hinter dem Namen „William Shakespeare“ steckt. Letztlich ist es eine Geschichte über die Wirkung des Wortes. Die erleben wir gerade im Internet auch. Es ist schön zu sehen, wie sich da Menschen organisieren und protestieren.
Sie meinen die Occupy-Wall-Street-Bewegung. Als Grünenwähler und Obamafan könnten Sie sich vorstellen mitzumachen?
Emmerich: Wenn ich Zeit hätte…. Ich war letztens erst in New York und mein Fahrer musste einen Umweg fahren wegen der Proteste. Da habe ich ihn gebeten anzuhalten und bin rüber gelaufen und habe mir das angesehen. Das war toll und es wurde auch langsam Zeit. Das wird noch ganz spannend werden die nächsten zwei oder drei Jahre. Ich habe bei meinem Film „2012“ schon gesagt, dass ich sehr pessimistisch bin. Ich glaube, diesen Pessimismus haben viele Leute geteilt.
Stört es Sie, wenn Ihnen wahrscheinlich wenige Menschen zutrauen, politisch zu denken und kluge Bücher zu lesen, weil Sie im Kino dauernd die Welt in Schutt und Asche legen?
Emmerich: Ja sicher, aber die Menschen lieben es nun mal, Leute in Schubladen zu stecken und sich dann auszudenken, wie der sein müsste, wenn der sowas macht. Und meistens liegen sie daneben. Darum geht es auch ein bisschen in meinem Film: Schubladendenken ist nicht das Günstigste, wenn wir weiter kommen wollen
Aber allzu oft können Sie sich so ein kleines Herzensprojekt wie Anonymus nicht leisten, dann werden Ihre Geldgeber unruhig.
Emmerich: Das werde ich mir auch nicht so oft leisten, aber immer wieder mal hoffentlich. Mein nächster Film wird ja wieder ein Spektakel mit viel Action und Effekten. Der heißt „Singularity“ und spielt 45 Jahre in der Zukunft.
Lohnt sich das noch? Wenn doch 2012 die Welt untergeht und man sich mit etwas Glück nur noch auf eines der Schiffe retten kann, die die Regierung bereit stellt. Sind Sie schon vorbereitet?
Emmerich: (grinst) Ja, ich hab mein Ticket bekommen, plötzlich, eines Tages hatte ich es.